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»Es begab sich aber in jenen Tagen, dass ein Befehl ausging vom Kaiser Augustus, dass alle Welt sich sollte schätzen lassen.«

So fängt die Weihnachtsgeschichte nach Lukas (Kapital 2.1) an. Es wird offenbar, dass die Obrigkeit die Bürger seit jeher schätzt, also taxiert. Steuerschätzungen existieren also schon sehr lange Zeit.

Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten nicht nach, so ist das deutsche Finanzamt nach § 162 AO berechtigt, eine Steuerschätzung durchzuführen. Diese kann das Finanzamt aber nicht nach Belieben vornehmen, sondern unterliegt dabei vielerlei Schranken. So bedarf es zunächst eines Schätzungsanlasses.

Wann darf das Finanzamt hinzuschätzen?

Keine Schätzung ohne Schätzungsanlass

Das Finanzamt darf eine Steuerschätzung nur durchführen, wenn ein sog. Schätzungsanlass gegeben ist.

Neben den herkömmlichen Schätzungsanlässen, etwa, wenn der Steuerpflichtige seine Steuererklärungen und Steueranmeldungen einreicht, der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann, ist das Finanzamt sehr leicht bei Auslandssachverhalten zu Schätzungen befugt.

So sieht das Gesetz einen Schätzungsanlass darin, dass der deutsche Steuerpflichtige bei Auslandssachverhalten nicht an der Aufklärung mitwirkt.

Ungenügende Aufzeichnungen

Keine eigenständige Betriebsstättengewinnermittlung

Keine Auskünfte über Auslandssachverhalte

Bei schwerwiegenden Mängeln in der Dokumentation von Geschäftsvorfällen mit nahestehenden ausländischen Personen (das ist die Verrechnungspreisdokumentation) oder dortigen Betriebsstätten greift eine widerlegliche Vermutung der Unrichtigkeit der Steuererklärung – mithin besteht ein Schätzungsanlass. Schwerwiegend ist es, wenn eine Verrechnungspreisdokumentation gänzlich fehlt, unverwertbare ist oder bei aussergewöhnlichen Geschäftsvorfällen die Verrechnungspreisdokumentation nicht zeitnah erstellt wurde.

Der mangelhaften Mitwirkung des deutschen Steuerpflichtigen stellt der Gesetzgeber gleich, wenn eine dem Steuerpflichtigen nahe stehende ausländische Person (das ist zB die ausländische Gesellschaft) nicht genügend mitwirkt. Dabei interessiert den deutschen Fiskus nicht, ob der deutsche Steuerpflichtige die Informationen oder Mitwirkung zu fordern berechtigt ist. Gerade nicht beherrschende Gesellschafter von ausländischen Firmen haben oftmals keine rechtliche Handhabe, die nötigen Unterlagen von der Gesellschaft zu fordern – und laufen dann in die Schätzung hinein.

Als Steueranwalt kann man nur raten, die Gesellschaftsverträge dahingehend anzupassen, dass ein Anspruch auf solche Informationen besteht. Darüber hinaus ist durch Koordination der Beteiligten (Firma im Ausland, Steuerberater / Treuhänder und deutschem Steuerpflichtigen) sicherzustellen, dass die Informationen auch rechtzeitig verfügbar sind.

Besonderheiten für Steueroasen

Für Steueroasen gelten mit dem Steueroasen-Abwehrgesetz besondere Regelungen, die deutsche Steuerpflichtige davon abhalten sollen, mit solchen Steueroasen-Staaten Geschäfte zu tätigen. Steueroasen sind diejenigen Gebiete auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke (sog. „schwarze Liste“). Neben anderen Massnahmen (wie der erschäften Hinzurechnungsbesteuerung, Abzugsverbot von Betriebsausgaben und Werbungskosten sowie verschärften Quellensteuermaßnahmen) ist eine Schätzung möglich. Voraussetzung ist die Verletzung der gesteigerten Mitwirkungspflichten des deutschen Steuerpflichtigen. In dem Fall greift eine gesetzliche Vermutung, dass nicht beziehungsweise nicht vollständig deklarierte Einkünfte vorhanden sind. Damit setzt das Gesetz einen Schätzungsanlass. Der deutsche Gesetzgeber sanktioniert die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Steuerpflichtigen durch eine weitgehende Schätzungsbefugnis des Finanzamtes.

Steuerschätzung: Was schätzt das Finanzamt?

Zunächst einmal ist klarzustellen, dass das Finanzamt nicht befugt ist, die Steuer selbst zu schätzen. Die Steuer ist stets nur das rechnerische Ergebnis seiner Bemessungsgrundlage. Die Bemessungsgrundlage von Steuern richten sich nach den einzelnen Steuergesetzen für die jeweilige Steuerart wie zB Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Umsatzsteuer.

So ist die Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer der Gewinn, ebenso bei einem Gewerbebetrieb für die Einkommensteuer. Der Gewinn ist Ausgangspunkt für den Gewerbeertrag, nach dem sich die Gewerbesteuer errechnet. Und die Umsatzsteuer bemisst sich nach dem steuerpflichtigen Umsatz. So sind es denn auch zumeist Umsatz und Gewinn, die das Finanzamt schätzt.