Um mit der zunehmenden Internationalisierung nicht nur der Wirtschaft, sondern zunehmend auch im privaten Bereich Schritt halten zu können, intensivieren die nationalen Steuerverwaltungen ihre zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Diese wurde besonders innerhalb der EU deutlich intensiviert. Umso mehr sind für die Finanzverwaltungen der großen Industrienationen die „ Steueroasen“, die eine Zusammenarbeit weitgehend abgelehnt haben, in den Blick gerückt. Infolge der Liechtenstein-Affäre, den folgenden Fällen von Steuer-CD’s und schliesslich den Panama-Papers hat auch der deutsche Finanzminister auf internationaler Ebene massgeblich dazu beigetragen, Druck auf kooperationsunwillige „Steueroasen“ aufzubauen, damit diese einlenken, Steuerinformationen zu liefern.
Steueramtshilfe durch Informationsaustausch
Die nationalen Sachaufklärungsmittel und –befugnisse reichen erfahrungsgemäss nicht aus, damit die Finanzverwaltung den Auftrag der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu erfüllen vermag. Daher hat sich eine Reihe von internationalen Kooperationsformen herausgebildet. Als solche sind zu nennen:
- Hilfe bei der Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG);
- Hilfe bei der Vollstreckung von Steueransprüchen (völkerrechtliche Vereinbarungen, EU-Beitreibungsgesetz);
- Informationsaustausch bei der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, die sog. internationale Amtshilfe (völkerrechtliche Vereinbarung, EU-Rechtsakte, EU-Amtshilfegesetz – EU-AHiG -).
Der zwischenstaatliche Informationsaustausch soll auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten den inländischen Finanzbehörden eine den inländischen Steuergesetzen und den Finanzbehörden des anderen Staates eine den dort geltenden Steuergesetzen entsprechende gleichmäßige und wettbewerbsneutrale Besteuerung ermöglichen. Der zwischenstaatliche Informationsaustausch dient auch der Sachverhaltsaufklärung zugunsten des Steuerpflichtigen.
Hinzu tritt die Rechtshilfe, die sich die Justizbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften) – auch die Finanzbehörden, sowie sie in Steuerstraf- und –ordnungswidrigkeitenverfahren das Ermittlungsverfahren selbständig durchführen – in Steuerstrafsachen gewähren.
Informationsaustausch auf Ersuchen
Der Regelfall des Informationsaustausches ist derjenige auf Ersuchen. Die zuständige Behörde des einen Staates fragt die zuständige Behörde des anderen Staates nach Fakten, die „voraussichtlich erheblich“ für ein steuerliches Verfahren im eigenen Staat sind. Zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens muss aus Sicht des anfragenden Staates die vernünftige Möglichkeit bestehen, dass die angefragten Fakten für steuerliche Zwecke im eigenen Staat erforderlich sind. Der Maßstab der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ soll dafür sorgen, dass ein Informationsaustausch im weitest möglichen Umfang stattfindet und gleichzeitig Anfragen ins Blaue hinein unterbleiben.
Informationsaustausch ohne Ersuchen
Ein Informationsaustausch ohne Ersuchen, eine sog. Spontanauskunft wird erteilt, wenn die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und der Steuerbehörde Informationen bekannt sind, die möglicherweise für einen anderen Staat steuerlich erheblich sein können. In einem solchen Fall liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Steuerbehörde, dem anderen Staat die entsprechenden Informationen zu übermitteln. Eine Verpflichtung zum spontanen Informationsaustausch besteht unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb der EU (Art. 9 Abs. 1 der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU, ABl EU Nr. L 64, S. vom 11. 3. 2011) und im Verhältnis zu Staaten, bei denen im bilateralen Austausch das Multilaterale Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (Art. 7 Abs. 1 Multilaterales Übereinkommen, Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters – MCAA –) anwendbar ist.
Automatischer Informationsaustausch (AIA)
Unter einem automatischen Informationsaustausch ist die systematische und periodische Übermittlung von im vorhinein definierten steuerlichen Informationen von einem Staat in einen anderen Staat zu einem festgelegten Zeitpunkt zu verstehen (Automatic Exchange of Information, What it is, How it works, Benefits, What remains to be done, OECD 2012). Ein automatischer Informationsaustausch ist eine sehr effiziente Maßnahme, um Einkünfte von in Deutschland Steuerpflichtigen im Ausland erfassen zu können und zu erkennen, ob entsprechende Einkünfte in der inländischen Steuererklärung angegeben wurden. Ein automatischer Informationsaustausch fand bislang im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie 2003/48/EG (ABl EU Nr. L 157, S. 38 vom 26. 6. 2003) für Zinseinkünfte (auch mit der Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco) und für bestimmte Einkunftsarten im Rahmen der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU statt.
Rechtliche Grundlagen des Informationsaustauschs
Die nationale rechtliche Grundlage für die zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Steuersachen ist § 117 AO. § 117 Abs. 1 AO bestimmt, dass die Finanzbehörden Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen dürfen und in § 117 Abs. 2 AO wird festgelegt, dass die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen, innerstaatlich anwendbar Rechtsakte der EU sowie des EU-Amtshilfegesetzes (EU-AHiG) leisten können. Diese nationale Befugnisnorm kann also wirksam dann in Anspruch genommen werden, wenn auf völkerrechtlicher Ebene in einer bi- oder multilateralen Vereinbarung mit einem anderen Staat der steuerliche Informationsaustausch legitimiert wird. Deutschland hat mit anderen Staaten eine Fülle von Doppelbesteuerungsabkommen und von Abkommen allein zum Steuer-Informationsaustausch abgeschlossen. Hinzu kommen innerhalb der EU die Amtshilferichtlinie 2011/16/EU , die Zusammenarbeitsverordnung im Bereich der Umsatzsteuer (VO [EU] Nr. 904/2010, ABl EU Nr. L 268, S. 1 v. 12. 10. 2010), die EU-Zinsrichtlinie 2003/48/EG sowie über die EU hinaus das Multilaterale Übereinkommen der OECD (MCAA) sowie das mit den USA abgeschlossene FATCA-Abkommen.
Den internationalen Standard für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit durch Informationsaustausch ist Art. 26 des OECD-Musterabkommens für Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-MA). Auf diesen Standard hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz in der Abgabenordnung (AO) erstmals Bezug genommen (siehe dazu: Obenhaus, Die Bedeutung des Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetzes für die Praxis, Stbg 2009, 389). Den Standard hat Deutschland seitdem mit einer zunehmenden Zahl von Staaten in Doppelbesteuerungsabkommen vereinbart.
Nach Art. 26 OECD-MA leisten sich die Vertragsstaaten untereinander umfassende Hilfe durch den Austausch von Steuerinformationen.
Der nächste Schritt war sodann der automatische Steuer-Informationsaustausch (AIA), besonders von Finanzkontodaten. Internationaler Vorreiter auf dem Gebiet sind die USA mit dem Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA). Dieses US-Gesetz findet seine Umsetzung durch die jeweiligen Abkommen, die die USA geschlossen haben. Von wesentlicher Bedeutung sind die mit der EU sowie mit der Schweiz und Liechtenstein geschlossenen FATCA-Abkommen. Durch das Abkommen verpflichten sich die beiden Vertragsparteien, die vereinbarten Daten von Finanzinstituten zu erheben und regelmässig automatisch auszutauschen.
Die OECD hat für den automatischen Steuer-Informationsaustausch (AIA) von Finanzkonten den Common Reporting Standard (CRS) entworfen. Dieser gilt als Referenz für die OECD-Staaten, so auch für Deutschland und die Schweiz.
FATCA
Der Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) ist ein nationales Gesetz der USA vom 18. 3. 2010. In diesem Gesetz werden ausländische Finanzinstitute dazu verpflichtet, den USA Kontoinformationen von bei ihnen geführten Konten zu übermitteln, wenn der Kontoinhaber in den USA steuerpflichtig ist. Sollten Finanzinstitute dieser Verpflichtung nicht nachkommen, werden Zahlungen aus den USA an diese Institute mit einer 30%igen Steuer belastet. FATCA greift mithin in die Souveränitätsrechte anderer Staaten in massiver Form ein. Gemeinsam mit anderen EU-Staaten hat deshalb Deutschland mit den USA ein Modellabkommen auf der Basis der Gegenseitigkeit entwickelt, welches völkerrechtlich als Basis für den Austausch von Kontoinformationen mit den USA dienen sollte. Auf dieser Grundlage haben Deutschland und die USA am 13. 5. 2013 ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen zum Austausch von Kontoinformationen (FATCA-Abkommen) unterzeichnet. Dieses Abkommen ist am 1. 12. 2013 in Kraft getreten. Auf Basis dieses Abkommens werden ab Ende Juli 2015 mit den USA Kontoinformationen über jeweils im anderen Staat ansässige Kontoinhaber ausgetauscht. Finanzinstitute sind verpflichtet, ihren Bestand an Konten auf in den USA steuerpflichtige Personen zu durchsuchen und Kontobewegungen dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) mitzuteilen. Die Regelungen bei FATCA sind die Grundlage für die Entwicklung des Common Reporting Standards (CRS) durch die OECD.
Auch die Schweiz hat mit den USA ein FATCA-Abkommen geschlossen. Das dazu ergangene FATCA-Gesetz wurde zum 1. 7. 2014 in Kraft gesetzt.
OECD AIA-Standard
Am 19. 4. 2013 sprachen sich die G20-Staaten dafür aus, auf der Basis von FATCA einen internationalen Standard für den automatischen Austausch von Kontoinformationen zu entwickeln. Das daraufhin von der OECD entwickelte Paket sieht vor, dass die völkerrechtliche Grundlage für den weltweiten Austausch von Kontoinformationen das Multilaterale Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen ist.
Der von der OECD entwickelte und am 15. 7. 2014 veröffentlichte Standard für den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (Common Reporting Standard – CRS –) ist ein Paket, das nach einer grundlegenden Einführung in den Regelungsbereich des Standards den Wortlaut eines Musters für eine Vereinbarung über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten zur Förderung der Steuerehrlichkeit zwischen den zuständigen Behörden der teilnehmenden Staaten enthält und den gemeinsamen Melde- und Sorgfaltsstandard für Informationen über Finanzkonten beschreibt. Zu dem Standard hat die OECD einen Kommentar veröffentlicht.
Die Mehrseitige Vereinbarung (MCAA) zum Steuer-Informationsaustausch
Auf Basis des von der OECD entwickelten Standards haben 51 Staaten am 29.10.2014 anlässlich der 7. Jahrestagung des „Global Forum on Transparancy and Exchange of Information for Tax Purposes“ in Berlin die Mehrseitige Vereinbarung über den automatischen Informationsaustausch in Steuersachen unterzeichnet. Es sind weitere Unterzeichnerstaaten hinzugekommen. In der Vereinbarung werden alle notwendigen völkerrechtlichen Voraussetzungen für den automatischen Steuer-Informationsaustausch aufgeführt. Auf den CRS selbst wird in der Vereinbarung lediglich verwiesen. Darunter sei der von der OECD zusammen mit den G20-Staaten entwickelte Standard für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zu verstehen.
Der Common Reporting Standard (CRS)
Der CRS legt den Umfang der zu meldenden Finanzinformationen, die meldepflichtigen Finanzinstitute sowie die zu meldenden Kontoinhaber beim Steuer-Informationsaustausch fest. Jedes meldende Finanzinstitut ist verpflichtet, für jedes meldepflichtige Konto Informationen zu übermitteln. Meldepflichtig sind Konten von Ausländern, die in einem anderen Staat ansässig sind, der ebenfalls den CRS anwendet. Zu melden sind verschiedene Arten von Kapitalerträgen, zum Beispiel Zinsen, Dividenden und ähnliche Erträge. Die Meldepflicht erstreckt sich nicht nur auf Banken, sondern auch auf andere Finanzinstitute wie zum Beispiel Makler oder bestimmte Organismen für die gemeinsame Anlage von Wertpapieren (OGAW) sowie bestimmte Versicherungsgesellschaften. Darüber hinaus regelt der CRS das Verfahren zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten durch die Finanzinstitute.
Steuer-Informationsaustausch in der EU
Die EU-Staaten setzen für den gegenseitigen Steuer-Informationsaustausch den gemeinsamen Meldestandard nach der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU um, die demgemäss durch Richtlinie 2014/107/EU des Rates vom 9. 12. 2014 (ABl EU Nr. L 359, S. 1 vom 16.1 2. 2014) revidiert wurde. Durch diese einheitliche Regelung innerhalb der EU wird der gemeinsame Meldestandard zwischen den EU-Mitgliedstaaten rechtlich einheitlich umgesetzt. Die EU-Amtshilferichtlinie übernimmt die inhaltlichen Regeln des internationalen gemeinsamen Meldestandards ohne wesentliche Änderungen.
Infolge der Revision der EU-Amtshilferichtlinie hat die EU die Zinsrichtlinie 2003/48/EG aufgehoben.
Schweizer AIA-Gesetz
Die Schweiz hat den Common Reporting Standard (CRS) im AIA-Gesetz vom 18.12.2015 (SR 653.1) vollständig umgesetzt. Die Rechtsgrundlagen für die Einführung des AIA sind am 1. 1. 2017 in Kraft getreten. Ab 2017 können dann Daten gesammelt werden, und ab 2018 kann ein erster Datenaustausch erfolgen. Mit der EU hat die Schweiz ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Mit verschiedenen anderen Ländern wurden Erklärungen zur Einführung des AIA unterzeichnet.