A. Einleitung
I. Der Auftrag und die Grenzen der Auftragserfüllung durch die innerstaatliche Verwaltung bei internationalen Sachverhalten
Im Zuge der Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen – sowohl im internationalen Handel als auch darüber hinaus bei Privatleuten – gibt es vielfältige grenzüberschreitende Sachverhaltsgestaltungen, die mit den Mitteln des rein nationalen Rechts nicht mehr erfassbar sind. Das gilt ebenso für das Steuerrecht. Mehrfachbelastungen des inländischen Steuerpflichtigen einerseits und Nichterfassung von Besteuerungstatbeständen andererseits sind im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Postulat der gerechten und gleichmäßigen Besteuerung (Art. 3 I GG, 20 III GG, § 85 AO) unbedingt zu vermeiden. Grenzüberschreitende Vorgänge werden von den Beteiligten zunehmend zur Vermeidung der Steuerlast genutzt – und dies nicht immer mit legalen Mitteln.
Die Besteuerungsgrundsätze (§ 85 AO) mit den Geboten der Gleichmäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verpflichten die deutsche Finanzverwaltung, auch die Steuerverkürzungen möglichst weitgehend zu unterbinden, die mit Auslandsbeziehungen bewirkt sein können. Aus verfassungsrechtlicher Sicht können strukturelle Vollzugsdefizite nicht hingenommen werden. Folglich muss Sachverhaltsaufklärung bei internationalen Sachverhalten grundsätzlich mit der gleichern Intensität betrieben werden wie bei rein inländischen Sachverhalten. Die zwischenstaatliche Kooperation in Steuersachen dient dabei auf der einen Seite der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerflucht, auf der anderen Seite aber den Interessen des Steuerpflichtigen, um eine etwaige steuerliche Doppelbelastung zu vermeiden.
Die Steuerwaltung hat von Amts wegen den Auftrag zur Aufklärung von Sachverhalten (§ 88 AO) und zur gleichmäßigen Festsetzung und Erhgebung von Steuern nach Maßgabe der Gesetze. Der Auftrag endet nicht an der Staatsgrenze. Er stößt aber auf die territorialen Grenzen der nationalen Staatsgewalt, die auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland begrenzt ist. Die Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse auf fremden Staatsgebiet ist nach allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts ohne Erlaubnis des fremden Staates unzulässig (Territorialitätsprinzip).
Das völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip ist eine allgemeine Regel des Völkerrechts i. S. d. Art. 25 S. 1 GG. Es umschreibt das Gebiet eines Staates als denjenigen Raum der Erde, der der territorial bezogenen Herrschaftsgewalt und der Verfügungskompetenz eines bestimmten Staates unterfällt. Hinsichtlich der hieraus abgeleiteten Gebietshoheit, die die aus der territorialen Souveränität zu legitimierende Herrschaft über die in einem bestimmten Raum befindlichen Personen und Güter bezeichnet, ist zu unterscheiden zwischen dem räumlichen Wirkungsbereich von Rechtsnormen und dem Bereich, in dem die staatlichen Organe die Rechtsnorm durchsetzen können. Letztere ist räumlich enger, nämlich auf das Territorium des handelnden Staats beschränkt. Dabei ist es rechtlich zulässig, Lebenssachverhalte, die sich auf einem fremden Staatsgebiet vollzogen haben, zum Gegenstand nationaler Regelungen zu machen (z. B. Besteuerung von im Ausland erzielten Einkommen). Zulässig ist es auch, Hoheitsakte zu erlassen, die Wirkungen über die Grenzen des Staatsgebiets hinaus entfalten.
Aus dem Auseinanderfallen von räumlichem Wirkungsbereich der Rechtsnormen einerseits und der Gebietshoheit andererseits ergibt sich die Notwendigkeit und die Rechtfertigung des internationalen Amtshilfeverkehrs in Steuersachen: Die Divergenz zwischen Besteuerungsauftrag – also der vollständiger Aufklärung auch grenzüberschreitender Steuerfälle – und den auf das Inland beschränkten Steuerverwaltungsbefugnissen erfordert eine völkerrechtlich klare Vereinbarung, welche Formen unter welchen Voraussetzungen zwischenstaatlich zur Erlangung von benötigten Steuerdaten kooperiert werden kann. Internationale Steueramtshilfe ist deshalb zulässiger Steuerdatenaustausch über die Grenzen hinweg.
II. Die Handlungsmöglichkeiten der innerstaatlichen Behörden
1. Ein Überblick
Da die beschriebenen völkerrechtlichen Grenzen zu einem Auseinanderfallen zwischen Verwaltungsauftrag und Verwaltungskönnen führen, hat der nationale Gesetzgeber schon durch eine Reihe von innerstaatlichen Maßnahmen versucht, die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden in grenzüberschreitenden Sachverhalten zu verbessern, um dadurch Steuerumgehungen oder –verkürzungen durch Auslandsaktivoitäten vorzubeugen und damit auch die mit der Besteuerungsungleichheit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen so weit wie möglich zu verhindern. Der Maßnahmekatalog enthält:
- verfahrensrechtliche Sonderregeln:
- erweiterte Mitwirkungspflichten der Beteiligten bei der Aufklärung von Sachverhalten (§ 90 II AO, SteuerHBekVO i. V. m. § 51 I Nr. 1 EStG, § 33 I Nr. 2 KStG, §§ 16, 17 AStG), besondere Aufzeichnungspflichten (§ 90 III AO i. V. m. GAufzV „Verrechnungspreise“), besondere Anzeigepflichten (§ 138 II, III AO), besondere Buchführungsvorschriften (§ 146 II AO), Verpflichtung zur Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten.
organisatorische Maßnahmen innerhalb der Finanzverwaltung: Zentrale Sammlung und Auswertung von Unterlagen übersteuerliche Auslandsbeziehungen durch das Bundeszentralamt für Steuern (§ 5 FVG); Einrichtung einer Außenprüfung und Steuerfahndung (§§ 193, 208 AO).
außersteuerliche Maßnahmen: Versagung des Passes, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Antragsteller seinen steuerlichen Pflichten entziehen will (§ 7 I Nr. 4 PassG). - materielle Regelungen zur Steuerpflicht und steuerlichen Zurechnung.
Das materielle und formelle Instrumentarium zur Sicherung des deutschen Steueranspruch bei Auslandsbeziehungen lässt sich zusammenfassen wie folgt:
a) Die Regelung der Steuerpflicht
• Beschränkte Steuerpflicht (§ 1 IV, §§ 49 ff. EStG);
• Erweiterte beschränkte Steuerpflicht bei Wegwzug in Niedrigsteuerländer (§§ 2 – 5 AStG);
• Besteuerung des Vermögenszuwachses bei Wegzug (§ 6 AStG);
• Erweiterte unbeschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht (§ 2 I Nr. 1b ErbStG);
• Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 – 14 AStG).
b) Weitere materielle Regelungen
• Besteuerung bei Sitz- oder Geschäftsverlegung ins Ausland (§ 12 KStG);
• Besteuerung bei Funktionsverlagerung;
• Berichtigung von Einkünften als verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. als verdeckte Einlagen (§ 1 AStG);
• Ausschluss des Mißbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO);
• Zurechnungsregeln, Gesetz- und Sittenwidrigkeit, unwirksame Rechtsgeschäfte (§§ 39 – 41 AO);
• Öffnung der DBA zur Durchsetzung der Steuerfluchtgesetzgebung;
• Einschränkungen bei Auslandsverlusten (§§ 2a, 15a EStG a. F.);
c) Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen
• Schätzungsbefugnis bei nicht ausreichender Sachverlatsaufklärung oder Verletzung der erweiterten Mitwirkungspflichten (§ 162 II AO);
• Pauschalbesteuerung bei Investmentanteilen (§ 6 InvStG)
d) Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen
• erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten (§ 90 II AO)
• besondere Mitwirkungspflicht bei Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten in nicht-kooperativen Staaten (§ 90 II 3 AO i. d. F. d. SteuerHBekG v. 29.07.2009);
• Dokumentation von Verrechnungspreisen (§ 90 III AO i. V. m. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung – GAufzV)
• besondere Mitwirkungspflicht bei Geschäftsbeziehung zu Niedrigsteuerländern (§ 16 AStG);
• Sachverhaltsaufklärung zur Anwendung des Außensteuergesetzes (§ 17 AStG);
• Sachverhaltsaufklärung zur Anwendung der Abgeltungsteuer und Teileinkünfteverfahren (§ 51 I Nr. 1 EStG i. d. F. d. SteuerHBekG v. 29.07.2009);
• Sachverhaltsaufklärung zur Anwendung des Schachtelprivilegs für Dividenden und Veräußerungsgewinne (§ 8b KStG, § 33 I Nr. 2 KStG i. d. F. d. SteuerHBekG v. 29.07.2009))
e) Die Untersuchungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung
• Außenprüfung, z. T. spezeille Betriebsprüfer für Auslandsbeziehungen (§ 193 AO);
• Erlangung einer Vollmacht gegenüber Kreditinstituten in nicht-kooperativen Staaten (§ 90 II 3 AO i. d. F. d. SteuerHBekG v. 29.07.2009);
• Simultane Betriebsprüfungen bei international tätigen Unternehmen (DBA, EU-AHG, OECD-Europarats-Konvention);
• Informationszentrale Ausland beim Bundeszentralamt für Steuersteuern (§ 88 II, § 5 I Nr. 6 FVG, IZA-Erlass);
• Steuerfahndung (Erforschung von Steuerstraftaten und –ordnungswidrigkeiten, Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in dem Zusammenhang, Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle, § 208 I AO).
2. Ausgewählte innerstaatliche Maßnahmen
a) Die Beweisbeschaffungsmöglichkeiten im Inland
aa) Die Untersuchungs- und Kooperationsmaxime
Zur Verwirklichung des Anwendungsgebotes aus Art. 20 III GG, nach dem die Finanzbehörden verpflichtet sind, die gesetzlich geschuldete Steuer fest- und durchzusetzen, sieht § 88 I S. 1 AO vor, dass die Finanzbehörden den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln haben (Untersuchungsgrundsatz). Die Behörde trägt die Verantwortung für die Sachaufklärung. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Sie ist nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden (§ 88 I S. 2 AO). Die Finanzbehörden sind dabei verpflichtet, den Besteuerungssachverhalt von Amts wegen sowohl zu Lasten ebenso als auch zu Gunsten des betroffenen Steuerpflichtigen aufzuklären.
Allerdings vermögen die Finanzbehörden aus eigener Wahrnehmung nur wenig zum Sachverhalt bezutragen. Daher hängt die Erfüllung des Vollzusauftrages wesentlich von der Mitwirkung des Steuerpflichtigen ab. Das Besteuerungsverfahren nach den §§ 88, 90 ff. AO ist daher auf ein kooperatives Zusammenwirken von Finanzbehörden und Steuerpflichtigen angelegt (Kooperationsmaxime). Eine wichtige Säule sind dabei die Mitwirkungspflichten des Beteiligten (§ 90 I AO).
bb) Die Mitwirkungspflichten
Die Generalklausel des § 90 I AO normiert zunächst, dass die Beteiligten zur Mitwirkung des Sachverhaltes verpflichtet sind, insbesondere die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitgemäß offenzulegen und die ihm bekannten Beweismittel anzugeben haben. Welche Beweiserhebungen die Finanzbehörde zur Aufklärung vornimmt, bestimmt sie unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (§ 5 AO) nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.
Als Beweisbeschaffungsmaßnahmen stehen der Finanzbehörde nach den §§ 93 ff. AO insbesondere zu:
• schriftliche oder mündliche Auskünfte jeder Art von den Beteiligten (§ 78 AO) oder anderen Personen (Dritten) einholen (Auskunftsersuchen, § 93 AO);
• Sachverständige hinzuziehen (§ 96 AO), wenn die eigene Sachkunde nicht ausreicht;
• Urkunden von Beteiligten oder Dritten vorlegen lassen (Vorlageersuchen, § 97 AO);
• Augensschein einnehmen (§ 98 AO). Zu dem Zweck kann die Behörde sowohl gegenüber Beteiligten als auch gegenüber Dritten das Betreten von Räumen oder Grundstücken anordnen (§ 99 AO);
• Wertsachen zur Augenscheinnahme von Beteiligten oder Dritten vorlegen lassen (§ 100 AO).
Die auf §§ 93 ff. AO gestützten Mitwirkungsverlangen (Auskunfts-, Duldungs-, Vorlageersuchen) sind Verwaltungsakte. Diese kann die Finanzbehörde mit den Mitteln des Verwaltungszwanges nach §§ 328 ff. AO durchsetzen. Ist sie in Beweisnot oder erfordert die Beweiserhebung einen unverhältnismäßigen Aufwand, kann sie von den Beteiligten eine Versicherung an Eides statt abnehmen (§ 95 AO), die nach § 156 StGB strafbewährt ist. Die Mitwirkung des Steuerpflichtigen muss zur Aufklärung des steuerlichen Sachverhaltes notwendig und geeignet, ferner verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar sein.
Obwohl steuerliche Auslandsberührungen heute zum Alltäglichen gehören, tritt die Finanzverwaltung – insbesondere im Rahmen einer Steuerprüfung – Sachverhalten, die sich jenseits der Grenze im Ausland abspielen, kritisch gegenüber. Die Erfahrungen aus aufgedeckten Fällen von Steuerhinterziehung und –umgehung haben die Prüfer längst sensibilisiert. Häufig werden Fragen etwa der Gewinnverlagerung oder Zahlungen ins Ausland – insbesondere im Zusammenhang mit sog. Basisgesellschaften – ein besonderes Aufklärungs- und Kontrollbedürfnis hervorrufen. Auslandsbeziehungen sind daher Schwerpunkt einer jeden Außenprüfung. Beim Bundeszentralamt für Steuern besteht eine Sondergruppe von Prüfern für Auslandsbeziehungen und einige Bundesländer unterhalten Gruppen von Auslandsbetriebsprüfern.
Auch in Bezug auf Auslandsbeziehungen hat die Finanzbehörde sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Finanzgerichtsverfahren die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Steueranspruch begründen. Den Steuerpflichtigen trifft hingegen nach allgemeinen Grundsätzen die Feststellungslast für Tatsachen und Beweismittel, die Steuerbefreiungen und –ermäßigungen begründen oder einen Steueranspruch aufheben oder einschränken. Können aufgrund der Verletzung der Mitwirlungspflichten Besteuerungsgrundlagen nicht aufgeklärt werden, dürfen diese bei bestehender Unsicherheit geschätzt werden (§ 162 I AO).
cc) Besondere Mitwirkungspflichten bei Auslandsbeziehungen
Da die Ermittlungsbefugnisse und damit auch die Aufklärungspflichten an der Grenze ihre Schranken finden, haben die Beteiligten grenzüberschreitende und ausländische Sachverhalte nach § 90 II AO selbst aufzuklären. Dazu hat der Gesetzgeber ihnen erhöhte Aufklärungs- und Mitwirkungspflichten auferlegt:
• die erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerinländers oder eines Dritten bei Auslandssachverhalten (§ 90 II, III AO, § 16 AStG);
• besondere Meldepflichten bei Auslandsbeteiligungen und –investitionen (§ 138 II AO);
• besondere Buchführungspflichten bei Organgesellschaften im Ausland (§ 146 II 3 AO);
• die Pflicht, einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu bestellen.
Diese weitgehende Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen ist Ausdruck des Rechtsgedankens sphärenorientierter Mitverantwortlichkeit, dass also die Anforderungen an die Mitwirkungspflicht in dem Umfang steigen, in dem die sontigen Ermittlungsmöglichkeiten der inländischen Behörde abnehmen.
Damit der inländischen Fiskus nicht in einen Beweisnotstand kommt, wird die Sachverhaltsaufklärung auf den betroffenen Steuerinländer verlagert. Ihn trifft eine doppelte Pflicht:
• Der Steuerinländer muss bei der Gestaltung seiner Verhältnisse, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereiches der AO beziehen, Beweisvorsorge treffen. Er kann sich im Falle des Bewerisnotstandes nicht darauf berufen, dass er den Sachverhalt nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können. Der Steuerpflichtige hat also eine eigene Sphäre der Informationsbeschaffung, indem Tatsachen in sein Wissen gestellt sind, er sich die erforderlichen Kenntnisse beschaffen kann und deren Mitteilung schon wegen der persönlichen Nähe zu den zu erteilenden Informationen seine Sache ist.
• Der Steuerpflichtige muss die Beweismittel nicht lediglich benennen, sondern auch beschaffen. Das Gesetz mutet ihm dabei zur Sachverhaltsaufklärung und Beweisbeschaffung zu, seine tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Er hat die Aufgabe, sich um eindeutige Erklärungen zu bemühen und die erforderlichen, entscheidungserheblichen angaben über den wirklichen Geschehensablauf zu machen und die dazu notwendigen Beweismittel (insbesondere Urkunden) beizubringen.
Besondere Bedeutung erhält die erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandsbeziehungen zu sog. Steueroasen. Als solche sieht der inländische Fiskus – im Einklang mit anderen Staaten wie den Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich und Großbritannien – Staaten an, die sich bei Auskunftsaustausch unkooperativ zeigen. Dies sind diejenigen Staaten, die keinen Informationsaustausch auf bilateraler Ebene nach OECD-Standards gewährleisten. § 90 II S. 3 AO bestimmt als maßgeblichen Standard Artikel 26 des Musterabkommens der OECD zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung von 2005 (OECD-MA).
Zwar darf die Ausübung der grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung durch die erhöhten Beweis- und Auskunftsanforderungen angemessen eingeschränkt werden. Jedoch müsse die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen stets im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen. Dies bedeute, dass z.B. die grundsätzlich bestehende Amtsermittlungspflicht der Finanzbehörden auch bei Auslandssachverhalten nicht vollständig auf den Steuerpflichtigen abgewälzt werden darf. § 90 II AO beseitigt nicht den Untersuchungsgrundsatz – die evtl. Pflicht und Notwendigkeit, Auskünfte im Rahmen der internationalen Amtshilfe einzuholen, bleibt bestehen.
Soweit jedoch ein Beweisnotstand entsteht, vermindert die erweiterte Mitwirkungspflicht das Maß der der Finanzbehörde zukommenden Beweislast. Die Finanzbehörde kann die Verletzung der Mitwirkungspflichten grundsätzlich frei würdigen. Ergebnis der Würdigung kann eine Schätzung sein. Den Steuerpflichtigen, der seine Mitwirkungspflichten verletzt, sieht die Finanzverwaltung dabei als „Beweisverderber“ und „Beweisvereiteler“, der aus seinem Verhalten keine steuerlichen Vorteile ziehen darf, was sich erfahrungsgemäß bei der Steuerschätzung nachteilig für den Steuerpflichtigen auswirkt.
Eine besondere Ausprägung weist § 90 II S. 3 AO mit seiner speziellen Regelung bei Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten in sog. Steueroasen auf. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Befugnisse der Finantbehörde zur freien Würdigung beschnitten und ordnet in § 162 II S. 2 AO die Schätzung qua Gesetz an.
Die sich aus § 90 II AO ergebende Beweisvorsorgepflicht steht allerdings unter dem Vorbehalt tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit. Nicht rechtlich unmöglich, wohl aber im Einzelfall dem Steuerpflichtigen unzumutbar ist eine Beweisbeschaffung mit Blick auf bestehende ausländische Auskunftsverbote. Den ausländischen Regelungen gemeinsam ist, dass durch sie nicht die Einzelinteressen eines ausländischen Geschäftspartners, sondern ausschließlich die Interessen der Allgemeinheit seines Sitz- oder Wohnsitzstaates „als Ganzes“ bzw. die Unversehrheit seiner Gebiethoheit geschützt werden.
Die besondere Mitwirkungspflicht nach § 17 I AStG ist lex specialis zur Regelung des § 90 II AO. Sie bezieht sich auf die Sachverhaltsermittlung bei zwischengeschalteten Gesellschaften (§ 5 AStG), bei Zwischengesellschaften (§ 7 bis 14 AStG) und bei Familienstiftungen (§ 15 AStG). Auskunftspflichtig sind die Personen, bei denen eine Zurechnung oder Hinzurechnung von Einkünften und Vermögen in Betracht kommt. Zum Inhalt und der Reichweite gilt das zu § 90 II AO Gesagte.
Bei den besonderen Mitwirkungspflichten, die sich auf die Sachverhaltsermittlung über gesellschaftrechtliche Verhältnisse beziehen, sind auch die § 51 I Nr. 1 Buchstabe f EStG und § 33 I Nr. 2 Buchstabe e KStG, jeweils i. V. m. der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung zu beachten.
b) Das Benennungsverlangen von Zahlungsempfängern im Ausland (§ 160 AO)
BFH: Rechtswidrigkeit eines Benennungsverlangens des Finanzamts, Urteil vom 25.2.2004 – I R 31/03, NJW 2004, 2327
aa) Der Zweck der Vorschrift
Nach § 160 I AO sind Schulden und andere Lasten, Betriebsausgaben, Werbungskosten und andere Ausgaben (insbesondere Sonderausgaben und außergewöhnliche belastungen) steuerlich regelmäßig nicht zu berücksicjtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu benennen. Zweck der Vorschrift ist es, sicherzustellen, dass nicht der steuermindernde Posten (Schuld, Ausgabe) berücksichtigt werden, sondern auch der korrespondierende, möglicherweise steuererhöhende oder –begründende Posten (Forderung, Einnahme) beim Geschäftspartner erfasst wird. Der Finanzbehörde soll damit eine Kontrollmöglichkeit zur Verhinderung von Steuerausfällen an die Hand gegeben werden. Hauptanwendungsfall dieser Vorschrift sind die Zahlungen an Schwarzarbeiter sowie die Bestechungsgelder, Schmiergelder und Geschenke.
§ 160 AO will nicht den unlauteren und verwerflichen Geschäftsverkehr bekämpfen. Die Norm bezweckt ebenso wenig der Ermittlung der Steuern des Steuerpflichtigen. Sie ist auch keine Straf- oder Bußgeldvorschrift. Von der Wirkung her läuft er auf eine Art „steuerliche Gefährdungshaftung“ hinaus – wer sich darauf einlässt, dass sein Geschäftspartner seine identität nicht preisgibt oder wer den Gläubiger oder Empfängert zwar kennt, aber gleichwohl nicht offenbart, der gefährdet den Steueranspruch, den der Fiskus gegenüber dem Gläubiger oder Empfäger haben könnte. Die sonstigen Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörde – auch die Informationsbeschaffung im Wege der internationalen Steuerauskunft – bleiben von der Anwendung des § 160 AO unberührt.
bb) Das zweistufige Verfahren nach § 160 AO
§ 160 AO I S. 1 AO sieht eine zweistufige Ermessensentscheidung vor:
1. Entscheidung der Finanzbehörde, ob sie das Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten soll (Entschließungsermessen);
2. Entscheidung über die eigentliche Rechtsfolge (wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen nicht oder nur ungenügend nachkommt), ob und inwieweit der Abzug zu versagen ist (durch Sollvorschrift eingeschränktes Ermessen: „regelmäßig“ist der Abzug zu versagen).
cc) Das Benennungsverlangen der Finanzbehörde
Das Verlangen der Empfängerbenennung ist in das Ermessen des Finanzamtes gestellt. Das Benennungsverlangen ist nach der Rechtsprechung kein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt, sondern eine bloße Vorbereitungshandlung (sog. verfahrenseinleitende Verfügung). Diese kann nur im Einspruchsverfahren gegen den nachfolgenden Steuerbescheid inzidenter überprüft werden.
Das Verlangen nach Gläubiger- oder Empfängerbenennung ist grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn der Verdacht oder die Vermutung begründet ist, der Gläubiger oder der Empfänger habe die Forderung oder die Einnahmen zu Unrecht dem inländischen staatlichen Steueranspruch entzogen. Bei Schmiergeldzahlungen liegt diese Annahme stets nahe. Dagegen ist das Verlangen ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, wenn feststeht, dass durch die Forderung bzw. die Einnahme ein Gläubiger oder Empfänger gar keinen steuerbaren und steuerpflichtigen Tatbestand im Inland verwirklicht hat und mithin auch kein Steuerausfall entstanden sein kann. Der Steuerausfall ist auf die deutsche Steuer zu beziehen und das Verlangen nach Empfängerbenennung dann ungerechtfertigt, wenn die Zahlung an einen im Ausland ansässigen Empfänger ergeht, dort verbleibt und dieser im Inland mit den Einkünften nicht steuerpflichtig ist.
Bei Zahlungen an ausländische Empfänger gibt der AEAO zu § 160 AO unter Nr. 4 der Verwaltung folgende verbindliche Handlungsanweisung:
„Bei Zahlungen an ausländische Empfänger soll das Finanzamt – soweit keine Anhaltspunkte für eine straf- oder bußgeldbewehrte Vorteilszuwendung vorliegen – auf den Empfängernachweis nach § 160 verzichten, wenn feststeht, dass die Zahlung im Rahmen eines üblichen Handelsgeschäfts erfolgte, der Geldbetrag ins Ausland abgeflossen ist und der Empfänger nicht der deutschen Steuerpflicht unterliegt. Hierzu ist der Empfänger in dem Umfang zu bezeichnen, dass dessen Steuerpflicht im Inland mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die bloße Möglichkeit einer im Inland nicht bestehenden Steuerpflicht reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 13.3.1985 – I R 7/81 – BStBl. 1986 II, S. 318). In geeigneten Fällen ist eine Erklärung der mit dem Geschäft betrauten Personen sowie des verantwortlichen Organs des Unternehmens zu verlangen, dass ihnen keine Umstände bekannt sind, die für einen Rückfluss der Zuwendung an einen inländischen Empfänger sprechen. Die Zulässigkeit der Mitteilung von Erkenntnissen deutscher Finanzbehörden im Rahmen des § 117 bleibt hiervon unberührt.“
Das Verlangen ist auch dann ermessenfehlerhaft, wenn die Benennung nicht notwendig, wenn sie unzumutbar oder aus anderen Gründen nicht erfüllbar ist, die vom Steuerpflichtigen nicht zu vertreten sind. Nicht notwendig ist die Benennung, wenn der Empfänger der Finanzverwaltung bereits bekannt ist. Die Zumutbarkeit bejaht die Rechtsprechung auch in den Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige gegenüber dem Gläubiger bzw. Empfänger zum Stillschweigen verpflichtet hat. Auch wirtschaftliche Nachteile, wie etwa das Nichtzustandekommen von Geschäften oder der Abbruch geschäftlicher Beziehungen oder die Bestrafung des Benannten machen das verlangen nicht unzumutbar. Ebenso entbinden auch ungewöhnliche Marktverhältnisse nicht davon, sich nach den Gepflogenheiten eines ordnungsmäßigen Geschäftsverkehrs zu richten und sich über die Identität des Empfägers zu vergewissern.
Zweifelhaft sind die Fälle, in denen dem Zahlenden Name und Anschrift des Empfängers nicht bekannt sind. Eine derartige Unkenntnis hat der Zahlende nach Ansicht der Rechtsprechung zu vertreten. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit soll es aber für einen Steuerpflichtigen unzumutbar sein, bei einem Zahlungsempfänger, der unter einer fingierten Firma und Identität auftritt, dessen wahre Identität festzustellen, um ihn dem Finanzamt gegenüber als tatsächlichen Zahlungsempfänger benennen zu können.
Wer als Exporteur Geschäfte mit solchen Staaten tätigt, bei denen Zahlungen von Schmiergeldern und „nützlichen Aufwendungen“ zu den Gepflogenheiten zählen, und sich dem anpasst, um den entsprechenden Markt nicht zu verlieren, konnte in der Vergangenheit – aus Gründen des Allgemeinwohls – mit Nachsicht der Finanzverwaltung rechnen. Allerdings ist dies – in Folge der geänderten Ansicht, dass Korruption im Ausland auch den inländischen Interessen zuwider läuft – heutzutage nicht mehr der Fall. Die Frage der Empfängerbenennung stellt sich in diesen Fällen nicht mehr.
Mit § 4 V S. 1 Nr. 10 EStG wurde der Abzug von Bestechungsgeldern, Schmiergeldzahlungen und ähnlichen Zuwendungen als Betriebsausgaben eingeschränkt. Durch die Neufassung im Steuerentlastungsgesetz 1999/20 00/2002 vom 24.03.1999 (BGBl. I S. 402 ) greift das Abzugsverbot bereits dann ein, wenn die Zuwendung von Vorteilen eine rechtswidrige Tat darstellt, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.
dd) Die genaue Benennung des Empfängers
Die genaue Benennung ist darauf gerichtet, dass die Finanzbehörden den Empfänger identifizieren können, um das Bestehen eines Steueranspruchs zu überprüfen. Dem entsprechend erfordert die Benennung in der Regel die Angabe des Namens und der Adresse, so dass dieser ohne eigene zusätzliche Ermittlungen der Finanzbehörde festgestellt werden kann. Die Benennung ist regelmäßig nicht genau, wenn sich herausstellt, dass der Name und/oder die Anschrift fingiert ist oder der angegebene Empfänger nicht existiert.
In diesem Zusammenhang spielen Zahlungen an ausländische Basisgesellschaften („Briefkastenfirma“) eine praktisch bedeutsame Rolle:
In diesen Fällen ist der Zweck des § 160 AO – und im Zusammenhang mit der Zurechnungsbesteuerung gemäß § 16 AStG – erst dann erreicht, wenn die inländische Finanzbehörde sicherstellen kann, dass der wirkliche Zahlunsgempfänger entweder im Inland steuerpflichtig ist oder seine seine steuerlichen Pflichten im Inland erfüllt. Als Empfänger ist in dieser Hinsicht derjenige, dem tatsächlich der wirtschaftliche Wert der Leistung zukommt. Das ist bei asisgesellschaften („Briefkastenfirmen“) grundsätzlich die Person, die die Basisgesellschaft zwischengeschaltet hat.
Nach Aufassung der Finanzverwaltung, die im Einklang mit der Rechtsprechung steht, ist in diesen Fällen von der Möglichkeit auszugehen, dass die Gesellschaft dazu dienen soll, Auslandsguthaben durch Darlehensaufnahmen ins Inland zurück zu verlagern bzw. Entnahmen als Betriebsausgaben erscheinen zu lassen, indem ein Leistungsverkehr fingiert wird. Die Finanzbehörde kann bei dieser Vermutung für die steuerliche Anerkennung von Betriebsausgaben verlangen, dass der inländische Steuerpflichtige den vollen Namen und die Anschrift der hinter der Basisigesellschaft stehenden Person mitteilt. Dazu muss der inländische Steuerpflichtige auch Angaben über die eventuellen unmittelbaren oder mittelbaren eigenen Beteiligungen machen.
ee) Die Rechtsfolgen
Nach § 160 I S. 1 AO ist der Abzug von Ausgaben bei Nichtbenennung der Empfänger regelmäßig zu versagen. Auf dieser zweiten Stufe ist daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise vom Regelfall abgewichen werden kann. Aus dem Zweck der Vorschrift – Vermeidung von Steuerausfällen . heraus erklärt sich, dass die Verhältnisse des Empfängers, soweit sie bekannt sind, zu berücksichtigen sind. Fällt beim Empfänger eine Steuer an, die jedoch nicht so hoch ist wie der Nachteil, der dem Zahlenden durch die Nichtberücksichtigung entstehen würde, so ist es aufgrund des Gesetzeszwecks geboten, abweichend von der Regel nur einen Teil der Last oder Ausgabe nicht zu berücksichtigen. Bedeutsam wird hier vor allem der Fall, dass der Zahlende ein hohes Einkommen, der Empfänger dagegen ein niedriges Einkommen hat, so dass ein erheblicher Progressionsunterschied vorliegt.
ff) Der Rechtsschutz
Das Verlangen nach § 160 I S. 1 AO kann nicht erzwungen werden. Rechtsfolge der Nichterfüllung ist allein, dass die Lasten oder Ausgaben steuerliche unberücksichtigt bleiben. Stellt das Verlangen nach Empfängerbenennung keinen Verwaltungsakt dar, so kann es nicht mit dem Einspruch angefochten werden. Eine Überprüfung hat im Rahmen des Einspruchs gegen den Bescheid, in dem die Last oder Abgabe bei der Steuerfestsetzung unberücksichtigt geblieben ist, zu erfolgen.
c) Das Benennungsverlangen nach § 51 I Nr. 1 Buchstabe f) EStG, § 33 I Nr. 2 Buchstabe e) KStG
3. Die Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten im Ausland
a) Die grundsätzliche Bedeutung der Bekanntgabe von Verwaltungsakten
Neben der inhaltlichen Bestimmtheit (§§ 119 I, 157 I AO) ist die wirksame Bekanntgabe die notwendige Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines Verwaltungsaktes. Ohne die wirksame Bekanntgabe ist ein Verwaltungsakt rechtlich nicht existent, somit nichtig und entfaltet keine Rechtswirkungen (§ 124 III AO). Ein Verwaltungsakt ist nach § 122 I AO demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird (Bekanntgabeadressat). Der Verwaltungsakt wird gegenüber dem Bekanntgabeadressaten in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird (§ 124 I AO). Die wirksame Bekanntgabe ist schließlich entscheidend für den Lauf der Einspruchsfrist. Nach § 355 I AO ist der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt binnen eines Monats nach dessen Bekanntgabe einzulegen.
Soll der Verwaltungsakt einem Empfänger außerhalb des Geltungsbereiches der AO – also im Ausland – bekannt gegeben werden, hat die Behörde folgende Bekanntmöglichkeiten:
• Bekanntgabe an inländischen Empfangsbevollmächtigten, § 123 AO,
• vereinfachte Bekanntgabe mittels Post, § 122 II Nr. 2 AO,
• Zustellung im Ausland, § 122 II S. 2 AO, § 9 VwZG,
• öffentliche Zustellung, § 10 VwZG.
Der Behörde steht unter Berücksichtigung der gesetzlichen Erfordernisse oder aufgrund des besonderen Beweisinteresses ein Auswahlermessen zu, welche der Bekanntgabemöglichkeiten sie wählt.
b) Die vereinfachte Bekanntgabe mittels Post (§ 122 II Nr. 2 AO)
Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes ist eine Verfahrenshandlung. Die inländische Verwaltungsbehörde darf ohne Zustimmung des ausländischen Staates auf dessen Hoheitsgebiet keine hoheitlichen Maßnahmen vornehmen, ohne das Souveränitätsrecht des fremden Staates zu verletzen. Nach einer Auffassung berühren auch Maßnahmen wie die Zusendung von Erklärungen, Auskunftsverlangen, Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten oder sonstige Schreiben vom Inland aus dieses völkerrechtliche Prinzip. Nach anderer Ansicht verletzen nicht-förmliche Maßnahme seitens der inländischen Verwaltungsbehörde das Souveränitätsrecht des ausländischen Staates nicht, sofern sie im normalen Postverkehr vorgenommen werden.
Beispielsweise würde es die Schweiz schon als einen Verstoss gegen ihre Souveränität (und als exterritorialen Übergriff) betrachten, wenn eine ausländische Steuerfahndung vom Inland aus telefonisch oder schriftlich mit möglichen Zeugen oder Auskunftspersonen in der Schweiz Kontakt aufnimmt, um Beweiserkenntnisse in einem Besteuerungsverfahren oder einem Steuerstrafverfahren zu sammeln. Bekannt ist, dass gerade die Schweiz bei hoheitswidrigen Ermittlungen fremder Finanzbehörden ihre Souveränität als verletzt erachtet und auch bei „Privatermittlungen“ von ausländischen Steuerfahndern diese zur Verhaftung ausgeschrieben hat.
Bei der Bekanntgabe von Verwaltungsakten oder sonstigen Schreiben im Ausland gibt es allerdings gewisse Ausnahmen davon. So hat sich – insbesondere innerhalb der Mitgliedstaaten der EU und den Ländern, mit denen Deutschland im Rahmen der DBA eine große Auskunftsklausel vereinbart hat – die Praxis der Finanzämter herausgebildet, Schriftstücke und Verwaltungsakte den Steuerpflichtigen im Ausland in großer Zahl mit einfachen Briefen unter ihrer ausländischen Adresse bekannt zu geben, ohne dass dieses Bekanntgabeverfahren bei den Empfängern oder den jeweiligen ausländischen Staaten auf nennenswerten Widerstand gestoßen ist. Da auch – im Sinne des Gegenseitigkeitsprinzips (vgl. § 117 III Nr. 1 AO) – die Finanzbehörden der angrenzenden Staaten in Deutschland die „vereinfachte Bekanntgabe“ vornahmen – ohne dass hierüber ein besonderes völkerrechtliches oder bilaterales Abkommen bestand – hatte sich diese Verwaltungspraxis durch zwischenstaatliche Duldung insoweit bewährt, als das schwerfällige Verfahren der Zustellung über den Dienstweg, vor allem über die ausländischen Botschaften, vermieden werden konnte.
Diese Verwaltungspraxis hat der Gesetzgeber schließlich in § 122 II AO kodifiziert. Nach § 122 II Nr. 2 AO gilt ein Verwaltungsakt, der durch die Post an einen Beteiligten außerhalb des Geltungsbereiches der AO übermittelt wird, einen Monat nach Aufagbe zur Post als bekannt gegeben. Dieses vereinfachte Übermittlungsverfahren auf dem normalen Postweg – im Gegensatz zur förmlichen Zustellung nach § 14 VwZG – ist zulässig, wenn zwischen Deutschland und dem ausländischen Empfängerstaat ein entsprechendes Abkommen über diese Art der Übermittlung von Verwaltungsakten besteht.
An Empfänger im Fürstentum Liechtenstein können Steuerverwaltungsakte nicht durch einfachen Brief bekannt gegeben bzw. nach § 9 I Nr. 1 und 4 VwZG förmlich zugestellt werden.
c) Die Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten (§ 123 AO)
Auch § 123 AO betrifft das Problem, dass ein Steuerverwaltungsakt im Ausland bekannt zu geben ist. Diese Bestimmung erleichtert insoweit die Bekanntgabe für die inländische Finanzverwaltung, als sie vom Beteiligten ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, ohne Sitz oder Geschäftsleitung im Inland verlangen kann, innerhalb angemessener Zeit einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu benennen, an den insbesondere Verwaltungsakte wirksam bekannt gegeben werden können.
Das Verlangen, einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, ist nach einer Ansicht betrifft es lediglich die Obliegenheiten des Steuerpflichtigen. Verletzt er diese, so hat er den hieraus resultierenden steuerlichen Nachteil zu tragen, dass nach § 123 S. 2 AO ein an ihn gerichtetes Schriftstück binnen eines Monats, ein an ihn gerichtetes elektronisches Dokument binnen drei Tagen nach Absendung als ihm zugegangen gilt (Zugangsfiktion). Dies gilt nach § 123 S. 3 AO nicht, wenn feststeht, dass kein oder ein späterer Zugang vorliegt.
Das Verlangen ist ein an keine bestimmte Form gebundener, im Ermessen der Behörde stehender Verwaltungsakt. Das Verlangen erfüllt die Merkmale eines Verwaltungsaktes nach § 118 S. 1 AO: Es handelt sich unzweifelhaft um eine hoheitliche Maßnahme mit Außenwirkung zur Regelung eines Einzelfalles. Diese ist auf unmittelbare Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet. Zwar fordert das Verlangen den Adressaten auf einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen. Die Bevollmächtigung nimmt aber der Adressat erst selbst vor, damit ist die Vollmachterteilung lediglich Reflex der behördlichen Maßnahme. Allerdings greift das Bestellungsverlangen in jedem Fall unmittelbar gestaltend in die Rechtslage ein: Entweder der Adressat kommt dem Verlangen nach und erteilt eine Vollmacht oder, nachfolgende Maßnahmen (vor allem Verwaltungsakte) können ohne besondere Bekanntgabe, im Regelfall mit einfacher Post, an den Adressaten rechtswirksam ergehen.
Das Verlangen bedarf somit als Verwaltungsakt selbst der wirksamen Bekanntgabe (§ 122 AO) und kann mit dem Einspruch (§ 355 AO) unmittelbar angefochten werden.
Die finanzbehördliche Aufforderung, einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, muss ermessensgerecht erfolgen: Zumutbar ist dieses Verlangen, wenn ein Dauersachverhalt vorliegt oder im Ermittlungs- und Erhebungsverfahren ein umfangsreicherer Schriftverkehr zu erwarten ist. Die Aufforderung bedarf nach § 119 II AO grundsätzlich keiner bestimmten Form, sofern diese nicht wegen Bekanntgabe erforderlich ist (nach hier vertretener Auffassung ist das Verlangen ein Verwaltungsakt). Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedenfalls die Schriftform, wobei es zweckmäßig ist, das Verlangen mittels Einschreiben mit Rückschein bekannt zu geben.
Die Aufforderung kann mit einer Zustellung im Ausland (§ 9 III S. 1 VwZG) verbunden werden.
d) Die Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG)
OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 10.11.2008 – S-0284 A – 19 – St 24
aa) Die notwendige Zustellung nach der AO
Die Zustellung ist eine besondere Form der Bekanntgabe von Verwaltungsakten im finanzbehördlichen Verfahren und von Gerichtsentscheidungen im gerichtlichen Verfahren. Die förmliche Bekanntgabe – die Zustellung – ist nach § 122 V AO gesetzlich bestimmt, z. B. für
• Ladungen zu eidesstaatlichen versicherungen (§ 284 II AO),
• Pfändungsverfügungen (§§ 309 II, 310 II, 321 II AO),
• Arrestanordnungen (§ 324 II AO),
• Bußgeldbescheide im Steuerordnungswidrigkeitenverfahren (§ 412 AO).
Anders nach früherer Rechtslage bedarf die Einspruchsentscheidung nach § 366 AO keiner förmlichen Bekanntgabe.
bb) Die Zustellung aufgrund finanzbehördlicher Entscheidung
Andererseits kann die Finanzbehörde die Zustellung von wichtigen Verwaltungsakten, für die nicht nach dem Gesetz die förmliche Bekanntagbe angeordnet ist, behördlich anordnen. Die Zustellung ist immer dann geboten, wenn bei wichtigen Steuerbescheiden der Ablauf der Festsetzungs- bzw. Festsetllungsfrist oder einer Zahlungsfrist droht und eine etwaige fehlerhafte bzw. nicht nachweisbare Bekanntgabe nicht mehr durch eine erneute, richtige Bekanntgabe des Verwaltungsaktes nachgeholt werden kann. Dies gilt zudem in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige oder sein Bevollmächtigter den Zugang des Verwaltungsaktes bestritten hat und die Finanzbehörde bezüglich der Wirksamkeit der Bekanntgabe Beweisschwierigkeiten vermeiden will.
cc) Die Durchführung der Zustellung nach § 9 VwZG
Zustellungsbedürftige Verwaltungsakte (§ 122 V AO) an Empfänger außerhalb des Geltungsbereichs der AO sind gemäß § 9 VwZG zuzustellen:
• durch Einschreiben mit Rückschein, soweit die Zustellung von Dokumenten unmittelbar durch die Post völkerrechtlich zulässig ist (§ 9 I Nr. 1 VwZG),
• auf Ersuchen der Behörde durch die Behörden des fremden Staates oder durch die diplomatische oder konsularische Vertretung der Bundesrepublik Deutschland (§ 9 I Nr. 2 VwZG),
• auf Ersuchen der Behörde durch das Auswärtige Amt an eine Person, die das Recht der Immunität genießt und zu einer Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört, sowie an Familienangehörige einer solchen Person, wenn diese das Recht der Immunität genießen (§ 9 I Nr. 3 VwZG), oder
• durch Übermittlung elektronischer Dokumente nach § 5 Abs. 5 VwZG, soweit dies völkerrechtlich zulässig ist (§ 9 I Nr. 4 VwZG).
Sind gemäߧ 9 VwZG mehrere Zustellungsarten zulässig, hat die Behörde die Wahl zwischen den einzelnen Zustellungsarten (§ 2 III VwZG). Dabei sollte vorrangig von der Möglichkeit der Zustellung durch Einschreiben mit internationalem Rückschein Gebrauch gemacht werden. Eine Zustellung nach § 9 I Nr. 2 VwZG wird aber weiterhin geboten sein, wenn im Einzelfall ein einwandfreier Nachweis des Zugangs des Verwaltungsaktes erforderlich ist.
Die Formulierung „völkerrechtlich zulässig“ in § 9 I Nr. 1 VwZG umfasst nicht nur völkerrechtliche Übereinkünfte, sondern auch etwaiges Völkergewohnheitsrecht, ausdrückliches nichtvertragliches Einverständnis, aber auch Tolerierung einer entsprechenden Zustellungspraxis durch den Staat, in dem zugestellt werden soll.
Die Zuständigkeit für Ersuchen nach § 9 I Nr. 2 VwZG ist dem Bundeszentralamt für Steuern übertragen (§ 5 I Nr. 5 FVG). Es ist daher von der jeweiligen Erlassbehörde zur Weiterleitung an das Bundeszentralamt für Steuern vorzulegen. Dabei ist Folgendes zu beachten:
• Die Verwaltungsakte sind müssen die vollständige ausländische Anschrift des Empfängers tragen. Die Rechtsbehelfsbelehrung muss zutreffend erteilt werden
• Steuer- und Haftungsbescheide müssen von der Finanzkasse abgerechnet sein und erforderlichenfalls ein Leistungsgebot enthalten. Bei Erstattungen ist der Zahlungsweg anzugeben.
• Es sind stets die Konten des Finanzamts anzugeben, auf die der zu entrichtende Betrag überwiesen werden soll.
• Wegen der Ungewissheit über die Dauer des Zustellungsverfahrens ist das Ende einer Zahlungsfrist nicht auf einen bestimmten Tag festzusetzen, sondern vom Tag der Zustellung abhängig zu machen (Fälligkeit z. B. „einen Monat nach dem Tag der Zustellung dieses Bescheides“). Vorgedruckte Texte müssen erforderlichenfalls entsprechend abgeändert werden.
• In der Vorlage an das Bundeszentralamt für Steuern soll die Staatsangehörigkeit des Zustellungsempfängers angegeben werden, weil diese für die Form der Zustellung im Ausland maßgeblich sein kann. Das Gleiche gilt für Zustellungen an Angehörige des Diplomatischen Korps.
• Eine wirksame Zustellung an mehrere Personen gemeinsam ist nicht möglich, sondern nur an einen bestimmten Zustellungsempfänger; das gilt auch für die Zustellung an Ehegatten (siehe Nr. 3.2 und 3.4 AEAO zu § 122 AO).
dd) Besonderheiten der Zustellung in einigen Ländern
Innerhalb der EU enthält Art. 14 der EU-Zusammenarbeitsverordnung eine besondere Rechtsgrundlage zur Zustellung betreffend Verwaltungsakte und andere Entscheidungen die Mehrwertsteuer betreffend.
Der aktuelle Negativkatalog von Staaten, in denen eine Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG) nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht, enthält folgende Staaten:
Ägypten, Argentinien, China, Republik Korea, Kuwait, Fürstentum Liechtenstein, Mexiko, Russische Föderation, San Marino, Schweiz, Slowenien, Sri Lanka, Ukraine, Venezuela.
ee) Die öffentliche Zustellung
Finanzbehörde Hamburg – Steuerverwaltung, Erlass vom 6.2.2009, Öffentliche Zustellung nach § 10 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) – 51 – S-0284 – 002/09; OFD Frankfurt am Main, Verfügung vom 10.11.2008 – S-0284 A – 19 – St 24
Kann außerhalb des Geltungsbereichs der AO mangels bestehender Auslandsvertretung oder aus anderen Gründen nicht zugestellt werden (z. B. in Liechtenstein), so ist nach § 10 VwZG öffentlich zuzustellen.
Ist bei öffentlicher Zustellung die ausländische Anschrift des Empfängers bekannt und besteht eine Postverbindung, so muss dem Empfänger sowohl die öffentliche Zustellung, als auch der Inhalt des zuzustellenden Verwaltungsakts (z. B. durch Beifügen einer Ablichtung) formlos mitgeteilt werden. Eine Belehrung über den Beginn der Rechtsbehelfsfrist (§§ 355, 108 AO i. V. m. § 10 II S. 3 und 4 VwZG) ist beizufügen. Diese Benachrichtigung ist gegenüber allen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.
Die öffentliche Zustellung ist nur unter den Voraussetzungen des § 10 VwZG zulässig. Da sie mangels einer tatsächlichen Bekanntgabe des Schriftstückes nur eine Fiktion der Zustellung bedeutet, darf von ihr erst Gebrauch gemacht werden, wenn alle anderen Möglichkeiten der Zustellung versagen. Wegen des Anspruchs des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör ist die Zustellungsfiktion des § 10 II VwZG (§ 15 III S. 2 VwZG a. F.) verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn eine andere Form der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist. Die öffentliche Zustellung ist also ultima ratio der Bekanntgabe und ihre gesetzlichen Voraussetzungen sind daher einzuhalten.
Dabei ist nicht erforderlich, dass die Finanzbehörde zuvor die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen beim Vormundschaftsgericht nach § 81 AO beantragt hat.
Nach § 10 I S. 1 VwZG kommt die öffentliche Zustellung in folgenden Fällen in Betracht:
• Der Aufenthaltsort des Empfängers ist unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich.
• Bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, ist eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich.
• Die Zustellung ist undurchführbar oder verspricht keinen Erfolg.
(1) Der unbekannte Aufenthaltsort
Eine öffentliche Zustellung wegen eines unbekannten Aufenthaltsortes des Empfängers (§ 10 I S. 1 Nr. 1 VwZG) ist nicht bereits dann zulässig, wenn die Finanzbehörde die Anschrift nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift des Empfängers muss vielmehr allgemein unbekannt sein. Dies ist durch eine Erklärung der zuständigen Meldebehörde oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Feststellung, dass sich der Empfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, ist nicht ausreichend. Die Finanzbehörde muss daher, bevor sie durch öffentliche Bekanntmachung zustellt, die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen anstellen. Dazu gehören insbesondere Nachforschungen bei der Meldebehörde, u. U. auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters des Empfängers. Auch Hinweisen auf den mutmaßlichen neuen Aufenthaltsort des Empfängers muss durch Rückfrage bei der dortigen Meldebehörde nachgegangen werden.
Nicht zulässig ist es daher beispielsweise, eine öffentliche Zustellung bereits dann anzuordnen, wenn eine versuchte Bekanntgabe unter einer Adresse, die der Empfänger angegeben hat, einmalig fehlgeschlagen ist oder wenn lediglich die Vermutung besteht, dass eine Adresse, an die sich der Empfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse ist. Eine öffentliche Zustellung ist aber wirksam, wenn die Finanzbehörde durch unrichtige Auskünfte Dritter zu der unrichtigen Annahme verleitet wurde, der Empfänger sei unbekannten Aufenthaltsortes, sofern die Finanzbehörde auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskunft vertrauen konnte.
(2) Fehlerhafte Handelsregisterdaten
(3) Die undurchführbare Zustellung
Nach § 10 I S. 1 Nr. 2 VwZG kommt eine öffentliche Zustellung in Betracht, wenn eine Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG) nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht. Eine Zustellung im Ausland verspricht keinen Erfolg, wenn sie grundsätzlich möglich wäre, ihre Durchführung aber etwa wegen Kriegs, Abbruchs der diplomatischen Beziehungen, Verweigerung der Amtshilfe oder unzureichender Vornahme durch die örtlichen Behörden nicht zu erwarten ist. Der Umstand, dass die Ausführung eines Zustellungsersuchens längere Zeit in Anspruch nehmen wird, rechtfertigt aber nicht die Anordnung einer öffentlichen Zustellung.
(4) Das Verfahren
Zur Durchführung der öffentlichen Zustellung ist nicht der Inhalt (auch nicht der verfügende Teil) des zuzustellenden Verwaltungsaktes öffentlich bekannt zu geben, sondern lediglich eine Benachrichtigung mit weitgehend neutralem Inhalt (§ 10 II VwZG). Die Benachrichtigung muss die Behörde, für die zugestellt wird, den Namen und die letzte bekannte Anschrift des Zustellungsempfängers, das Datum und das Aktenzeichen des Dokuments sowie die Stelle, wo das Dokument eingesehen werden kann, erkennen lassen (§ 10 II S. 2 VwZG). Die Benachrichtigung muss ferner den Hinweis enthalten, dass das Dokument öffentlich zugestellt wird und Fristen in Lauf gesetzt werden können, nach deren Ablauf Rechtsverluste eintreten können (§ 10 II S. 3 VwZG).
Bei der Zustellung einer Ladung muss die Benachrichtigung den Hinweis enthalten, dass das Dokument eine Ladung zu einem Termin enthält, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben kann (§ 10 II S. 4 VwZG). Die Benachrichtigung ist an der Stelle bekannt zu machen, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist (z.B. durch Aushang im Dienstgebäude). Alternativ hierzu kann die Benachrichtigung auch durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht werden (§ 10 II S. 1 VwZG). In den Akten ist zu vermerken, wann und in welcher Weise die Benachrichtigung bekannt gemacht wurde (§ 10 II S. 5 VwZG).
Wird die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung durch Aushang bekannt gemacht, ist sie stets bis zu dem Zeitpunkt auszuhängen, zu dem die Zustellung nach § 10 II S. 6 VwZG als bewirkt anzusehen ist. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger vor Fristablauf bei der Finanzbehörde erscheint und ihm das zuzustellende Schriftstück ausgehändigt wird. Die Aushändigung ist in den Akten zu vermerken.
Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung als zugestellt (§ 10 II S. 6 VwZG). Dies gilt auch, wenn dem Empfänger vor Ablauf dieser zweiwöchigen Frist der Verwaltungsakt ausgehändigt wurde. Die Frist gemäß § 10 II S. 6 VwZG bestimmt sich nach § 108 I AO i. V. m. §§ 187 I, 188 II BGB. Danach ist bei der Berechnung einer Aushangfrist der Tag des Aushangs nicht mitzurechnen. Die Frist endet mit Ablauf des Tages, der dem Aushangtag kalendermäßig entspricht. Bei der Berechnung der Frist ist ggf. § 108 II AO zu.
Sobald die ausländische Anschrift des Steuerpflichtigen bekannt ist und eine Postverbindung besteht, sind nach erfolgter öffentlicher Zustellung dem Steuerpflichtigen die Tatsache der öffentlichen Zustellung und der Inhalt des Verwaltungsaktes (z.B. durch Beifügen einer Ablichtung) mit einfachem Brief mitzuteilen. Diese Mitteilung ist an Empfänger in sämtlichen Staaten zulässig, da es sich hierbei mangels rechtlicher Regelung nicht um einen Verwaltungsakt handelt.
ff) Die Zustellungsmängel und die Heilungsmöglichkeiten
Ein Verwaltungsakt ist trotz unrichtig angegebener Anschrift wirksam bekannt gebeben, wenn ein Adressat die Sendung tatsächlich erhält. Dem liegt der in kodifizierte Gedanke zugrunde, dass die Bekanntgabe kein Selbstzweck ist und es letztlich darauf ankommt, ob der Adressat vom Inhalt dessen, was die Behörde an ihn richten will, Kenntnis erlangt bzw. erlangen kann. Nach § 8 VwZG sind die Bekanntgabemängel also in dem Zeitpunkt, in dem der Adressat die Möglichkeit zur Kenntnisnahme erlangt, geheilt.
Ist zwar erwiesen, dass der Adressat das bekannt zu gebende Schriftstück erhalten hat, bleibt aber der Zeitpunkt des Zugangs ungewiß, so geht dies zu Lasten der Behörde. Dabei ist bei mehreren möglichen Zeitpunkten die Heilung im für den Adressaten günstigsten Zeitpunkt anzunehmen. Im Hinblick auf zu wahrende Fristen ist dies regelmäßig der späteste Zeitpunkt.
Bekanntgabemängel können unter den Voraussetzungen des entsprechend anwendbaren § 8 VwZG geheilt werden.
4. Die Informationssammlung „IZA“ beim Bundeszentralamt für Steuern
Graf / Bisle, Ermittlung von Auslandssachverhalten im Inland durch die IZA, IWB 2008, 435; Korts / Korts, Ermittlungsmöglichkeiten deutscher Finanzbehörden bei Auslandssachverhalten, IStR 2006, 869; Polenz, Der Auskunftsanspruch des Steuerpflichtigen gegenüber den Finanzbehörden, NJW 2009, 1921; Roeder, Verletzung des Steuergeheimnisses durch Einsatz der Lizenzkartei des BfF im internationalen Auskunftsverkehr, IWB Deutschland Gruppe 1, 1385; BMF-Schreiben vom 07.09.2007 – IV B 1 – S 1509/07/0001, BStBl I 2007 S. 754
a) Die Aufgaben des Bundeszentralamtes für Steuern
Trotz der weitreichenden Mitwirkungspflichten des inländischen Steuerpflichtigen stellt die Aufklärung von Auslandssachverhalten die inländische Finanzverwaltung vor besondere Schwierigkeiten. Auslandssachverhalte sind oftmals Schwerpunkte der Außenprüfung und der Steuerfahndung, wobei allerdings die aufgeworfenen Problemstellungen – besonders bei Anwendung der schwierigen Vorschriften des AStG und wegen der Vielgestaltigkeit und der fortschreitenden Entwicklung der „Steuergestaltung“ über Auslandsbeziehungen – den nicht spezialisierten Steuerprüfer überfordern. Daher hat der Gesetzgeber eine Konzentration und Zentralisierung der Beschaffung und verwertung von Informationen über Auslandsbeziehungen für erforderlich gehalten und zu dem Zweck eine koordinierte Stelle in der Finanzverwaltung geschaffen: Die Informationszentrale Ausland (IZA) beim Bundeszentralamt für Steuern. Sie ist eine wichtige Informationsaustauschbörse für steuerliche Auslandsbeziehungen.
Das Bundeszentralamt für Steuern hat nach § 5 I FVG folgende, im Zusammenhang mit internationalem Bezug stehende Aufgaben:
• Internationale Zusammenarbeit
• die Ausübung der Funktion der zuständigen Behörde auf dem Gebiet der steuerlichen Rechts- und Amtshilfe und bei der Durchführung von Verständigungs- und Schiedsverfahren nach den Doppelbesteuerungsabkommen und dem Übereinkommen Nr. 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen vom 23.7.1990 (ABl. EG Nr. L 225 S. 10) in der jeweils geltenden Fassung, soweit das zuständige Bundesministerium seine Befugnisse in diesem Bereich delegiert;
• die zentrale Sammlung und Auswertung von Unterlagen über steuerliche Auslandsbeziehungen nach näherer Weisung des Bundesministeriums der Finanzen (§ 5 I Nr. 6 FVG);
• die zentrale Sammlung der von den Finanzbehörden der Länder übermittelten Daten zu Konzernübersichten (Konzernverzeichnis) sowie die Erteilung von Auskünften daraus im Wege einer elektronischen Abfrage durch die Finanzbehörden der Länder;
• die zentrale Sammlung der von den Finanzbehörden der Länder übermittelten branchenbezogenen Kennzahlen sowie die Erteilung von Auskünften daraus im Wege einer elektronischen Abfrage durch die Finanzbehörden der Länder;
• Prüfung und Fahndung
o die Mitwirkung an Außenprüfungen (§ 19 FVG). Dabei kann das Bundeszentralamt für Steuern im Auftrag des zuständigen Finanzamtes Außenprüfungen durchführen, insbesondere bei Prüfungen von Auslandsbeziehungen und bei Prüfungen, die sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstrecken (§ 19 III FVG);
o den Kontenabruf nach § 93b AO i. V. m. § 24c I S. 1 KWG und die Weiterleitung der abgerufenen Daten an die zuständigen Finanzbehörden;
o die Unterstützung der Finanzbehörden der Länder bei der Verhütung und Verfolgung von Steuerstraftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung sowie bei Anzeigen nach § 116 I AO. Das Bundeszentralamt für Steuern hat zur Wahrnehmung dieser Aufgabe alle hierfür erforderlichen Informationen zu sammeln und auszuwerten und die Behörden der Länder über die sie betreffenden Informationen und die in Erfahrung gebrachten Zusammenhänge von Straftaten zu unterrichten;
o die Weiterleitung von Mitteilungen nach § 116 I AO an die zuständigen Finanzbehörden der Zollverwaltung;
• Umsatzsteuer und Verbrauchssteuern
o die Vergütung der Vorsteuerbeträge in dem besonderen Verfahren nach § 18 IX UStG. Auf Antrag des Unternehmers überträgt das Bundeszentralamt für Steuern die Vergütung der Vorsteuerbeträge auf eine andere Finanzbehörde, wenn diese zustimmt;
o auf Grund der EU-Zusammenarbeitsverordnung ;
? die Vergabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 27a UStG),
? die Entgegennahme der Zusammenfassenden Meldungen (§ 18a UStG) und Speicherung der Daten,
? den Austausch von gespeicherten Informationen mit anderen Mitgliedstaaten;
o die Erteilung von Bescheinigungen in Anwendung des Art. 15 Nr. 10 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 (ABl. EG Nr. L 145 S. 1) in der ab 1.1.1993 geltenden Fassung zum Nachweis der Umsatzsteuerbefreiung der Umsätze, die in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft an im Geltungsbereich dieses Gesetzes ansässige zwischenstaatliche Einrichtungen, ständige diplomatische Missionen und berufskonsularische Vertretungen sowie deren Mitglieder ausgeführt werden;
o die zentrale Sammlung und Auswertung der von den Finanzbehörden der Länder übermittelten Informationen über Betrugsfälle im Bereich der Umsatzsteuer;
o die Entlastung bei deutschen Besitz- oder Verkehrsteuern gegenüber internationalen Organisationen, amtlichen zwischenstaatlichen Einrichtungen, ausländischen Missionen, berufskonsularischen Vertretungen und deren Mitgliedern auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarung oder besonderer gesetzlicher Regelung nach näherer Weisung des Bundesministeriums der Finanzen;
o die Koordinierung von Umsatzsteuerprüfungen der Landesfinanzbehörden in grenz- und länderübergreifenden Fällen;
o das Zusammenführen und Auswerten von umsatzsteuerlich erheblichen Informationen zur Identifizierung prüfungswürdiger Sachverhalte;
o die Beobachtung von elektronisch angebotenen Dienstleistungen zur Unterstützung der Landesfinanzverwaltungen bei der Umsatzbesteuerung des elektronischen Handels;
o die Durchführung des Besteuerungsverfahrens nach § 18 IVc UStG (nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer, der als Steuerschuldner ausschließlich Leistungen auf elektronischem Gebiet an Verbraucher im Gemeinschaftsgebiet erbringt und in keinem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst ist) einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten auf Grund Kapitel VI der EU-Zusammenarbeitsverordnung ;
o die Bestätigungen nach § 18e UStG 1999;
• Abzugssteuern
o die Entlastung von deutschen Abzugsteuern (Erstattungen und Freistellungen) in den Fällen der §§ 43b EStG (Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge, die einer ausländischen Muttergesellschaft gezahlt werden) und 50g EStG (Steuerabzug bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener EU-Mitgliedstaaten) sowie auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen;
o die Mitwirkung an der Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen für ausländische Investmentanteile; die Überprüfung erfolgt auf Antrag einer Landesfinanzbehörde oder im Wege von Stichproben;
o die Sammlung, Auswertung und Weitergabe der Daten, die nach § 45d EStG (Mitteilung über Kapitalertragsteuer bzw. Steuerabzug bei Investmentanteilen) zu übermitteln sind;
o Entgegennahme von Meldungen und Zahlungen von Zinsabschlag nach der Zinsinformationsverordnung und deren Weiterleitung;
b) Die Informationssammlung und –beschaffung
Die IZA sammelt und erteilt Informationen insbesondere über Beziehungen von im Inland ansässigen Personen zum Ausland und im umgekehrten Wege von Steuerausländern zum Inland. Ferner stellt die IZA Sachverhalte, Erfahrungen und vergleichwerte, die für die Beurteilung der Auslandsbeziehungen von Bedeutung sind, zusammen. Sie erteilt insoweit die entsprechenden Auskünfte an die anfragenden Dienststellen und beschafft die erforderlichen Unterlagen.
Neben dem Bemühen, sich selbst aktiv die geeigneten Unterlagen zur Sachverhaltsaufklärung von Stellen im In- und Ausland zu beschaffen, bestünden auch umfassende Mitteilungspflichten der Finanzämter gegenüber der IZA. Die Finanzbehörden des Bundes und der Länder sind gehalten, die IZA laufend und vollständig über sachdienliche Beobachtungen und Feststellungen zu unterrichten.
Ziel und Aufgabe der IZA ist es also, möglichst umfassend und vollständig Information zusammenzufassen, die zur intensiven Zusammenarbeit und zur zeitnahmen Unterrichtung aller beteiligten Finanzbehörden auf diesem Gebiet notwendig sind. Die einzelnen Stellen der Finanzverwaltung dürfen sich bei ihren steuerlichen Entscheidungen im konkreten Einzelfall auf diese zentrale Sammlung beim Bundeszentralamt für Steuern stützen. Deren Aufgabe ist allein schon deshalb rechtlich bedeutsam, weil die Vernachlässigung der Erkenntnisse des Bundeszentralamtes für Steuern einen Ermittlungsfehler und damit einen Verfahrensmangel darstellt, der sogar im Revisionsverfahren gerügt werden kann.
Gegen die Informationssammlung – insbesondere die sog. Lizenzkartei – sind unter dem Gesichtspunkt des Steuergeheimnisses und des Datenschutzes Bedenken geäußert worden, denen der Gesetzgeber schließlich mit § 88a AO Rechnung getragen hat. Dieser stellt eine spezifische Rechtsgrundlage die Sammlung von geschützten, dem Steuergeheimnis unterliegenden Daten dar. Die Sammluing ermöglicht es der Finanzverwaltung, auch für Zwecke künftiger Verfahren im Sinne von § 30 II AO – vor allem zur Gewinnung von Vergleichswerten – Erkenntnisse und Sachverhalte in Dateien und Akten zu sammeln und zu verwerten, soweit dies im Besteuerungsintereese notwendig ist.
Ein Betroffener hat regelmäßig gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern keinen Anspruch auf die Erteilung einer Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten.
Die Tätigkeitsschwerpunkte der IZA liegen in den folgenden Bereichen:
• die Auswertung der Meldungen von Steuerpflichtigen über ihre Auslandsbeziehungen und Feststellungen der deutschen Beherrschung eines ausländischen Unternehmens ;
• das Führen der Bundesdatenbank für Auslandsbeziehungen einschließlich der „Oasendokumentation“;
• das Führen der Bundesdatenbank für beschränkt Steuerpflichtige und für ausländische Unternehmen, die im Inland umsatzsteuerpflichtig sind (BEST-Datenbank);
• das Führen der Lizenzkartei (Auswertung von Lizenzverträgen) ;
• das Erstellen von Übersichten über Konzerne mit Konzernspitze im Ausland;
• die Zusammensstellung verschiedener Vergleiochswerte zu praktisch verwertbaren Übersichten;
• allgemeiner Informationsdienst: Die IZA hält eine umfangreiche Datensammlung über „Steueroasen“ in Form einer „Oasendokumentation“, Domizilkarteien und –dateien, Domizilträgerdatenbank sowie über Berater, Treuhänder und Wirtschaftsprüfer in „Oasen“ sowie einen allgemein Informationsdienst zu Register-, Handels-, Wirtschafts-, Gesellschafts-, Investitions-, Währungs- und steuerlichen Fragen vor.
III. Die zwischenstaatliche Zusammenarbeit in Steuersachen
1. Ein Überblick
Die nationalen Sachaufklärungsmittel und –befugnisse reichen erfahrungsgemäß nicht aus, damit die Finanzverwaltung den Auftrag der Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu erfüllen vermag. Daher hat sich eine Reihe von internationalen Kooperationsformen herausgebildet. Als solche sind zu nennen:
• Hilfe bei der Zustellung im Ausland (§ 9 VwZG);
• Hilfe bei der Vollstreckung von Steueransprüchen (völkerrechtliche Vereinbarungen, EU-Beitreibungsgesetz);
• Informationsaustausch bei der Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen, die sog. internationale Amtshilfe (völkerrechtliche Vereinbarung, EU-Rechtsakte, EU-AHiG).
Hinzu tritt die Rechtshilfe, die sich die Justizbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften) – auch die Finanzbehörden, sowie sie in Steuerstraf- und –ordnungswidrigkeitenverfahren das Ermittlungsverfahren selbständig durchführen – in Steuerstrafsachen gewähren.
2. Die historische Entwicklung
Kolb, Revision des Artikels 26 OECD-MA zum Informationsaustausch, IWB Fach 10 Gruppe 2 S. 1801; Tulloch, Steuerlicher Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten der OECD, (Köln) 1995; Vliegen, Gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, IWB 2008, 625
a) Anfangszeiten
Der internationale Informationsaustausch ist untrennbar mit dem Entstehen von bilateralen völkerrechtlichen Verträgen verknüpft, die das Ziel hatten, Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Der Auskunftsaustausch war primär notwendig, um den Abkommen überhaupt Geltung zu verschaffen – ohne den Austausch von Steuerdaten sind die Abkommen nicht anwendbar. Das Bedürfnis und die Nowendigkeit, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, erwuchsen naturgemäß in Parallele zum Ausbau der internationalen Wirtschaftsbeziehungen.
Doppelbesteuerungsabkommen gab es schon im 19. Jahrhundert, so zwischen Preußen und Sachsen, Österreich und Ungarn sowie zwischen Preußen und Österreich.
Die erste Phase des Ausbaus bilateraler Verträge ist jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg mit der zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtung der deutschen Wirtschaft zu verzeichnen. Besonders hervorzuheben sind die in dieser Zeit mit Österreich (1922) , Italien (1925) und der Schweiz (1931) geschlossenen Abkommen. Für diese Zeit kennzeichnend sind zudem spezifische Amts- und Rechtshilfeverträge, die über die eigentliche Auskunftserteilung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hinaus die Zusammenarneit der Steuerverwaltungen bei der Steuererhebung und der Zustellung steuererheblicher Schriftstücke regeln. Als solche sind die zum Teil bis heute fortgeltenden Verträge mit Dänemark, Finnland , Italien , Österreich und Schweden zu nennen.
b) Der Ausbau des Netzes der Doppelbesteuerungsabkommen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg wurde die das Netz der Doppelbesteuerungsabkommen stetig ausgebaut. Von großer tatsächlicher und wirtschaftlicher Bedeutung sind dabei die Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (1954), Österreich (1954), Kanada (1956), Norwegen (1958), Schweden (1959), den Niederlanden (1959) und Frankreich (1959).
Mit fast allen Ländern Westeuropas hat Deutschland seinerzeit „große Auskunftsklauseln“ vereinbaren können, die einen umfassenden Informationsaustausch zulassen. Anders hat es sich regelmäßig mit den Entwicklungs- und Schwellenländern verhalten und auch mit der Schweiz sowie mit Japan hatte Deutschland nur die „kleine Auskunftsklausel“ vereinbart.
Daneben hat Deutschland mit allgemeine Rechtshilfeabkommen, die einen Steuerdatenaustausch in der Reichweite der großen Auskunftsklauseln zulassen, geschlossen.
Abkommen im Bereich Rechts- und Amtshilfe Stand: 1.1.2009
Abkommen mit vom Inkraft seit angew. seit
Belgien 11.4.1967 1969 1966
Dänemark 22.11.1995 1997 1997
Finnland 25.9.1935 1954 1936
Frankreich 21.7.1959 1961 1957
Italien 9.6.1938 1956 1939
Luxemburg 23.8.1958 1960 1957
Niederlande 21.5.1999 2001 2001
Norwegen 4.10.1991 1993 1991
Österreich 4.10.1954 1955 1955
Schweden 14.7.1992 1995 1995
Auf dem Gebiet der Erbschaftsteuern hat Deutschland mit einzelnen Staaten Abkommen geschlossen. Außerdem gibt es Sonderankommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen.
Abkommen im Bereich Erbschaft- und Schenkungssteuern
Abkommen mit vom Inkraft seit angew. seit
Dänemark 22.11.1995 1997 1997
Frankreich 12.10.2006 2009 2009
Griechenland 18.11.1910
geändert am: 1.12.1910 1953 1953
Österreich 1.10.1954 1955 1955
geändert am: 15.10.2003 2004 2003
Schweden 14.7.1992 1995 1995
Schweiz 30.11.1978 1980 1980
Vereinigte Staaten 3.12.1980 1986 1979
geändert am: 14.12.1998 2001 2000
Sonderabkommen im Bereich Schiff- und Luftfahrt]
Abkommen mit vom Inkraft seit angew. seit Anmerkung
Brasilien 17.8.1950 1952 1952
Chile 2.2.1951 1953 1952 Handelsabkommen
Volksrepublik China 31.10.1975 1977 1977 Seeverkehrsvertrag
Hongkong 8.5.1997 1999 1998 Luftverkehrsvertrag
Jugoslawien 26.6.1954 1959 1959 Seeverkehrsvertrag
Kolumbien 10.9.1965 1971 1962 Luft- und Seeverkehrsvertrag
Paraguay 27.1.1983 1985 1979 Luftverkehrsvertrag
Venezuela 23.11.1987 1989 1990 Luft- und Seeverkehrsvertrag
Auf der Grundlage der jeweiligen DBA – Artikel über den gegenseitigen Informationsaustausch in Steuersachen (vgl. Art. 26 OECD-MA) und des § 2 III EGAHiG hat die Bundesrepublik Deutschland bisher mit folgenden EG-Mitgliedstaaten Absprachen über die gegenseitige Amtshilfe getroffen :
Staat BMF – Schreiben vom Fundstelle (BStBl.)
Dänemark 23.3.2005 – IV B 4 – S-1320 – 2 / 05 I 2005 S. 498
Frankreich 12.11.2001 –
IV B 4 – S-1323 Fra – 1 / 01 I 2001 S. 801
Litauen 24.11.2005 –
IV B 1 S-1321 LTU – 1 / 05 I 2005 S. 1008
Niederlande 3.12.1997 – IV C 9 – S-7079 – 174 / 97 / IV C 7 – S-1223 Ndl – 12 / 97 I 1997 S. 970
Tschechische Republik 6.10.2005 – IV B 1 – S-1321 CZE – 1 / 05 I 2005 S. 904
Estland 10.5.2006 – IV B 1 – S-1321 EST – 1 / 06 I 2006 S. 355
Lettland 18.5.2006 – IV B 1 – S-1321 LVA – 1 / 06 I 2006 S. 359
Neben Regelungen über den automatischen Auskunftsverkehr und die Erteilung von Spontanauskünften enthalten einige der Abkommen zusätzlich Bestimmungen über abgestimmte Außenprüfungen und die Anwesenheit von Steuerbediensteten auf dem Hoheitsgebiet des jeweils anderen Staates. Absprachen der Bundesrepublik Deutschland mit weiteren EG – Mitgliedstaaten über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen sind geplant.
Mit den typischen „Steueroasen“ – als Hauptbeispiel gilt bis dato Liechtenstein – mangelt es an Rechts- und Amtshilfeverträgen, da die Verweigerung der internationalen Zusammenarbeit auf steuerlichem Gebiet bis in die jüngste Zeit ein Hauptmerkmal dieser Länder war. Besteht Aufklärungsbedarf hinsichtlich dieser Staaten, so sind für die inländischen Finanzbehörden die allgemeinen und besonderen Erkenntnisse und Informationen der IZA oftmals hilfreich.
c) § 117 AO als Generalklausel für die Amtshilfe
Im deutschen Recht erhält der internationale Steuerdatenaustausch mit der Einführung der AO 1977 und darin enthaltenen generalklauselartige Bestimmung des § 117 erstmals eine gesetzliche Grundlage. In ihr wird der Einsatz nationaler Ermittlungsmöglichkeiten bei der Gewährung von Amtshilfe konkret umschrieben, Auskunftsgrenzen und –hindernisse werden zusammen mit den verfahrensrechtlichen Rechtsgarantien zum Schutz des inländischen Betroffenen konkretisiert. Die internatiopnale Amtshilfe erhielt damit eine Ermächtigungsgrundlage im innerstaatlichen Recht.
d) Multinationale Entwicklungen
Die Vermeidung der Doppelbesteuerung und damit zugleich die internationale Zusammenarbeit der Staaten auf steuerlichem Gebiet wurde frühzeitig auch als ein multilaterales Problem verstanden. Schon in den zwanziger Jahren haben sich die INternationale Handelskammer und der Völkerbund bemüht. aufeinander abgestimmte Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu ergreifen. Von konkretem Erfolg waren aber erst die Bemühungen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (heute: Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa – OECD) gekrönt, deren 1956 ins Leben gerufener Steuerausschuss im Jahre 1963 ein Musterabkommen – nebst offiziellem Kommentar – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens veröffentlichte. Dieser war als Empfehlung an die Mitgleidstaaten gerichtet. Das Musterabkommen wurde erstmals in 1977 revidiert (MA 1977) und seitdem ständig fortentwickelt. Das MA 1977 enthielt in Art. 26 eine ausführliche bestimmung nebst einer Kommentierung zum Informationsaustausch. Regelungsgegenstände der offiziellen Kommentierung sind:
• grundsätzliche Bestimmungen zum Informationsaustausch,
• Anwendungsbeispiele,
• Fälle der Abkommensanwendung,
• Fälle der Anwendung innerstaatlichen Rechts,
• Arten des Auskunftsverkehrs,
• Durchführung des Austausches,
• Geheimhaltungspflichten,
• Zugang zu ausgetauschten Informationen,
• Offenlegung in Gerichtsverfahren.
Bedeutungsvoll für die Fortentwicklung das internationalen Informationsaustausch war Nr. 9 der Kommentierung zu Art. 26 OECD-MA 1977, enthielt sie doch erstmals die Konkretisierung der Steuerauskünfte in drei verscheidene Arten:
• Auskünfte aufgrund Ersuchen,
• automatische Auskünfte,
• unaufgeforderte Auskünfte (sog. Spontanauskünfte).
Zu erwähnen ist die Verabschiedung eines UN-Musterabkommens von 1980. Es verfolgte das Ziel, die Doppelbesteuerung zwischen industriestaaten und Entwicklungsländern zu vermeiden. Die verhinderung der Steuerhinterziehung und –umgehung ist dabei als besondere Aufgabe des Abkommens hervorgehoben – Auskunftsaustausch entsprechend der großen Auskunftsklausel wird dabei als notwendig vorausgesetzt. 1984 hat die UN-Unterkommission ECOSOC Leitlinien zur Bekämpfung internationaler Steuerhinterziehung und Steuerflucht herausgegeben, die alle bis dahin in der Welt gehandhabten Formen internationaler fiskalischer Zusammenarbeit beider Steuerkontroille zusammenfassen und den Entwicklungsländern zur Nachahmung anbieten. Aktuell sind keine Aktivitäten der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet zu verzeichnen.
Auch der Europarat hatte bereits 1978 eine Empfehlung gefasst über über die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung. Auf dem Colloqium des Europarates in Straßburg über die Internationale Steuerflucht und Steuerumgehung 1979 fand der Vorschlag eine breite Unterstützung, dass die Mitgleidstaaten ein multilaterales Abkommen schließen sollten. Daraufhin beschlossen die OECD und der Europarat, gemeinsam ein Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen zu erarbeiten. Die Arbeiten knüpften an die OECD-Musterabkommen, die EU-Amtshilferichtlinie und andere Amtshilfevereinbarungen an.
Die daraus hervorgegangene Konventionbüber die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen des Europarates und der OECD wurde 1987 vom Ministerrat des Europarates verabschiedet und Anfang 1988 zur Zeichnung aufgelegt. Sie erstreckt sich sowohl auf den Bereich der direkten als auch der indirekten Steuern. Ziel ist es, den Informationsaustausch für Zwecke der Steuerfestsetzung als auch die Amtshilfe bei der Beitreibung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu stärken. Am 17.4.2008 hat Deutschland die Konvention unterzeichnet. Mit Unterzeichnung dieses Übereinkommens verbessert die deutsche Steuerverwaltung ihr Netzwerk der zwischenstaatlichen Amtshilfe v.a. gegenüber Staaten außerhalb der EU.
STATUS OF THE OECD-COUNCIL OF EUROPE CONVENTION ON MUTUAL
ADMINISTRATIVE ASSISTANCE IN TAX MATTERS
April 2009
OECD Member Countries/Pays membres
DATE OF OPENING FOR SIGNATURE: DATE OF SIGNATURE DATE OF RATIFICATION DATE OF DEPOSIT OF THE INSTRUMENT OF RATIFICATION DATE OF ENTRY INTO FORCE
DATE D’OUVERTURE A LA SIGNATURE:
25 01 88 DATE DE SIGNATURE DATE DE RATIFICATION DATE DE DEPOT DE L’INSTRUMENT DE RATIFICATION DATE D’ENTRÉE EN VIGUEUR
BELGIUM / BELGIQUE 07 02 1992 06 04 2000 01 08 2000 01 12 2000
CANADA / CANADA 28 04 2004
DENMARK / DANEMARK 16 07 1992 16 07 1992 16 07 1992 01 04 1995
FINLAND / FINLANDE 11 12 1989 15 12 1994 15 12 1994 01 04 1995
FRANCE / FRANCE 17 09 2003 01 03 2005 25 05 2005 01 09 2005
GERMANY / ALLEMAGNE 17 04 2008
ICELAND / ISLANDE 22 07 1996 22 07 1996 22 07 1996 01 11 1996
ITALY / ITALIE 31 01 2006 31 01 2006 31 01 2006 01 05 2006
NETHERLANDS / PAYS BAS 25 09 1990 16 09 1996 15 10 1996 01 02 1997
NORWAY / NORVEGE 05 05 1989 05 05 1989 13 06 1989 01 04 1995
POLAND / POLOGNE 19 03 1996 19 05 1997 25 06 1997 01 10 1997
SWEDEN / SUEDE 20 04 1989 04 07 1990 04 07 1990 01 04 1995
UNITED KINGDOM 24 05 2007 24 01 2008 24 01 2008 01 05 2008
UNITED STATES / ETATS-UNIS 28 06 1989 30 01 1991 13 02 1991 01 04 1995
Non-OECD Economies/Economies non membres
AZERBAIJAN 26 03 2003 03 06 2004 01 10 2004
UKRAINE 30 12 2004 17 12 2008 26 03 2009 01 07 2009
e) Die Entwicklung innerhalb der Europäischen Union
Die Europäische Gemeinschaft (Europäische Union) hat seit Mitte der 1970er Jahre Bestrebungen unternommen, auf multilateralem Gebiet die Steueramtshilfe unter ihren Mitgleidstaaten zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und zur Vermeidung der Steuerumgeung zu verstärken. Für den steuerlichen Amtshilfeverkehr war die EU-Amtshilfe-Richtlinie von den Mitgleidstaaten zu beachten. Sie wurde in der Folgezeit im Bereich der indirekten Steuern – insbesondere zur Kontrolle der Umsatz- und Verbrauchsbesteuerung – mehrfach geändert. Durch das EG-Amtshilfegesetz vom 19.12.1985 (EGAHiG) hat der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie im innerstaatliches Bundesrecht umgesetzt.
Soweit sich der Anwendungsbereich der DBA-Auskunftsklauseln mit der EU-Amtshilfe-Richtlinie deckt, geht nach dem Grundsatz derVorrangigkeit des Gemeinschaftsrechts letztgenannte vor. Die Richtlinie soll einen im Grundsatz einheitlichen Auskunftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten schaffen. Die Reichweite des EGAHiG ist damit auch Richtschnur für die Gewährung von Steuerauskünften aufgrudn großer Auskunftsklauseln nach den DBA: Deutschland tauscht z. B. nach Art. 26 DBA-USA vom 11.1.1991 Informationen auf Ersuchen oder ohne Ersuchen nur in dem Umfang aus, in dem dies im EGAHiG vorgesehen ist.
Zu den in den EU-Mitgleidstaaten verbindlich anzuwendenden Amtshilferegeln gehört die EG-Beitreibungsrichtlinie von 1979, die durch das EG-Beitreibungsgesetz umgesetzt wurde. Es ermöglicht vor allem die Zusammenarbeit bei der Vollstreckung der Umsatzsteuern innerhalb der EU.
In eine neue Dimension ist die multilaterale Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen auf Ebene der EU durch Vollendung des gemeinsamen Binnenmarktes zum 1.1.1993 vorgerückt. Die inländische n Finanzbehörden können und müssen gemäß EU-Zusammenarbeitsverordnung mit anderen EU-Staaten auf dem Gebiete der indirekten Steuern in besonderen Formen zusammenarbeiten, um nach dem Wegfall der steuerlichen Kontrollen an den Binnengrenzen der EU die indirekte Besteuerung (Verbrauchssteuern, Mehrwertsteuer) sicherzustellen. Aufgrund dieser Zusammenarbeits-Verordnung, die in Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist, werden auch im Wege des automatischen Auskunftsaustausches Informationen über innergemeinschaftliche Umsatzvorgänge übermittelt (vgl. § 5 I Nr. 9 FVG).
EU-Gesetzgebung und EU-Gesetzgebungsvorhaben: Indirekte Steuern (Stand: 1.5.2009)
Amtshilfe und MwSt-Steuerbetrugsbekämpfung
MwSt-Betrugsbekämpfung (konventionelle Maßnahmen) Mitteilung mit kurzfristigem Aktionsplan für Maßnahmen zur Verhütung von MwSt-Betrug, zur Aufdeckung und zur Steuereintreibung:
Fristverkürzung für Meldung innergemeinschaftlicher Umsätze (-> verabschiedet: Richtlinie 2008/1 17/EG)
Informationsaustausch bzgl. MwSt-Befreiung bei Einfuhr; gesamtschuldnerische Haftung für Steuerausfälle wegen Nichterfüllung der Meldepflicht auch bei grenzübergreifenden Umsätzen; einheitliche Vollstreckungstitel oder Sicherungsmaßnahmen zur Verbesserung grenzüberschreitender Steuerbeitreibung (-> KOM[2008]805)
Verbesserte Verwaltungszusammenarbeit, verbesserte elektronische Steuerprüfung (e-Auditing), Mindestanforderungen für Meldung im MIAS & elektronische Bestätigung der Daten; automatischer Datenzugang von zuständigen Behörden anderer Mitgliedstaaten; Einrichtung eines EU-Netzwerks EURO-FISC für eine engere operative Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten (-> Vorschlag zur Neufassung der VO[EG] Nr. 1798/2003 angekündigt) Vereinfachung der Rechnungsstellung im MwSt-System (-> KOM[2009]21)
Bestimmung des Zeitpunkts des Entstehens des Steueranspruchs bei innergemeinschaftlichen Umsätze (für Informationsaustausch) und Empfehlung an die Mitgliedstaaten ihre IT-Entwicklungen zu koordinieren und Vorschlag einer Ad-hoc-Arbeitsgruppe 01.12.2008 Mitteilung KOM(2008)807
Mitteilung zu Kernfragen im Zusammenhang mit der Entwicklung einer MwSt-Betrugsbekämpfungsstrategie in der EU 23.11.2007 Mitteilung KOM(2007)758
Mitteilung mit Strategie zur Verbesserung der Bekämpfung des Steuerbetrugs 31.05.2006 Mitteilung KOM(2006)254
MwSt-Betrugsbekämpfung (Reverse-Charge & Besteuerung innergemeinschaftlicher Warenumsätze) Mitteilung über Maßnahmen zur Änderung des MwSt-Systems für die Betrugsbekämpfung Mangels Einigkeit der Mitgliedstaatenderzeit kein Legislativvorschlag.
22.02.2008 Mitteilung KOM(2008)109
04.12.2007 Rat: Schlussfolgerungen 15698/07
Mitteilung zu Kernfragen im Zusammenhang mit der Entwicklung einer MwSt-Betrugsbekämpfungsstrategie in der EU 23.11.2007 Mitteilung KOM(2007)758
Mitteilung mit Strategie zur Verbesserung der Steuerbetrugsbekämpfung, insbesondere von Karussellbetrug, Verbesserung bestehender Maßnahmen, Ausweitung des Reverse-Charge-Mechanismus auf Inlandsumsätze und Einführung der Besteuerung von innergemeinschaftlichen Warengeschäften 31.05.2006 Mitteilung KOM(2006)254
Vereinfachungs- und Sondermaßnahmen Auf Grundlage von Art. 395 der Richtlinie 2006/112/EG können die Mitgliedstaaten individuell ermächtigt werden, von den gemeinschaftlichen MwSt-Vorschriften abzuweichen, um die Erhebung der MwSt zu vereinfachen oder um bestimmte Methoden der Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhüten. 01.01.2008 Umsetzungsfrist
28.11.2006 Richtlinie 2006/112/EG
Richtlinie 2006/69/EG erlaubt den Mitgliedstaaten Sondermaßnahmen zur Vereinfachungen der MwSt-Erhebung oder zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -umgehung
Ausnahmeregelungen in den Mitgliedstaaten (Stand 31.12.2008) 01.01.2008 Umsetzungsfrist
24.07.2006 Richtlinie 2006/69/EG
Meldefristen bei innergemeinschaftlichen Umsätze Ermöglichung schnellerer Aufdeckung von Karusselbetrug durch Verkürzung des Erklärungszeitraums für Meldungen über innergemeinschaftliche Umsätze und der Frist für den Informationsaustausch zwischen den Steuerverwaltungen auf einen Monat. 01.01.2010 Inkrafttreten (Verordnung)/Umsetzungsfrist (Richtlinie)
16.12.2008 Richtlinie 2008/117/EG;
Verordnung (EG) Nr. 37/2009
Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der MwSt 07.10.2003 Verordnung (EG) Nr. 1798/2003
Verwaltungszusammenarbeit zur Steuerbekämpfung Richtlinienvorschlag zur effizienteren Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden durch Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG und Ausweitung des Geltungsbereichs auf indirekte Steuern (mit Ausnahme der MwSt und Verbrauchssteuer) Konsultationsverfahren
23.11.2009 EP-Abstimmung
02.02.2009 Richtlinienvorschlag KOM(2009)29
Richtlinie 2003/93/EG erweitet Anwendungsbereich auf Versicherungsprämien. 31.12.2003 Umsetzungsfrist
07.10.2003 Richtlinie 2003/93/EG
Neufassung angekündigt
Verordnung über Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der MwSt, insbesondere zu Regeln und Verfahren, zur Zusammenarbeit und Auskunftserteilung; u.a. Einführung von Maßnahmen für die MwSt-liche Registrierung von Erbringern elektronischer Dienstleistungen aus Drittländern. 07.10.2003 Verordnung (EG) Nr. 1798/2003
Richtlinie 92/12/EWG erweitet Anwendungsbereich auf Verbrauchssteuern. 25.02.1992 Richtlinie 92/12/EWG
Richtlinie 79/1071/EWG erweitet Anwendungsbereich auf MwSt.
Richtlinie 77/799/EWG über Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Steuerverwaltungen der Mitgliedstaaten, insb. Informationsaustausch zur korrekten Veranlagung der Einkommen- und Vermögensteuer 01.01.1981 Umsetzungsfrist
06.12.1979 Richtlinie 79/1071/EWG
01.01.1979 Umsetzungsfrist
19.12.1977 Richtlinie 77/799/EWG
Verwaltungszusammenarbeit Einführung von Verwaltungsvereinbarungen und Informationsaustausch im Hinblick auf die Verabschiedung der Richtlinien 2008/8/EG (Ort der Dienstleistung) und 2008/9/EG (MwSt-Erstattung) (Teil des sog. MwSt-Pakets) 12.02.2008 Verordnung (EG) Nr. 143/2008
Verordnung über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, u.a. Einführung einer einzigen elektronischen Anlaufstelle („one-stop-shop“) von Drittlandsunternehmer, die Online-Dienstleistungen an EU-Verbraucher erbringen. 01.01.2004 Inkrafttreten
07.10.2003 Verordnung (EG) Nr. 1798/2003
Verwaltungszusammenarbeit & Informationsaustausch (MIAS) Verordnung zur Regelung der Bedingungen für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander und mit der Kommission sowie der Verfahren für den EDV-gestützten Austausch von MwSt-Informationen bei innergemeinschaftlichen Geschäften (MIAS). 07.05.2002 Verordnung (EG) Nr. 792/2002
27.01.1992 Verordnung (EWG) Nr. 218/92
Amtshilfe zur Betrugsbekämpfung Verordnungsvorschlag – aus der Generaldirektion Justiz und Inneres – über gegenseitige Amtshilfe zum Schutz der finanziellen Interessen der EG gegen Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen durch verbesserte multilaterale Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten Mitentscheidungsverfahren
14.09.2006 geänderter Verordnungsvorschlag KOM(2006)473
20.07.2004 Verordnungsvorschlag KOM(2004)509
Die Europäische Kommission will Steuerflucht und Steuerhinterziehung besser bekämpfen. Ein entsprechender Kommissionsvorschlag sieht vor, die gegenseitige Amtshilfe der Steuerbehörden in den Mitgliedstaaten bei der Steuerfestsetzung und der Beitreibung von Steuerrückständen effizienter zu gestalten. So sollen sich die Mitgliedstaaten künftig bei einer Verweigerung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nicht mehr auf das Bankgeheimnis berufen können. Damit wird das Bankgeheimnis bei der Zusammenarbeit der Steuerbehörden aufgehoben, wenn ein Mitgliedstaat bei der Prüfung der steuerlichen Lage eines in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Steuerzahlers ein Amtshilfeersuchen stellt.
Der Kommissionsvorschlag zur Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit bei der Steuerfestsetzung enthält klarere und genauere Regeln für die Zusammenarbeit. Hierzu zählen insbesondere gemeinsame Verfahrensregeln, Formulare und Formate sowie Kanäle für den Informationsaustausch. Außerdem sollen künftig Vertreter von Steuerverwaltungen eines Mitgliedstaates mit denselben Kontrollbefugnissen auch im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aktiv an behördlichen Ermittlungen teilnehmen dürfen.
Der zweite Vorschlag zur Verbesserung der gegenseitigen Amtshilfe bei der Beitreibung von Steuerrückständen soll dazu beitragen, dass sich die Mitgliedstaaten in diesen Fällen gegenseitig besser unterstützen können. Hierdurch dürfte sich der Anteil der beigetriebenen Steuerausstände erhöhen, der derzeit schätzungsweise fünf Prozent der gesamten Steuerschuld ausmacht, für die Amtshilfe beantragt wird. Die EU-Kommission schlägt insbesondere vor, alle von den Mitgliedstaaten und ihren Gebietskörperschaften erhobenen Steuern und Abgaben sowie obligatorischen Sozialabgaben zu berücksichtigen.
f) Die jüngeren Entwicklungen
Nachdem nur noch Belgien, Luxemburg, Österreich und die Schweiz eine Erweiterung des Art. 26 OECD-MA ablehnten, stimmte das OECD-Fiskalkomitee einer Erweiterung des Art. 26 OECD-MA zu. Die beschlossenen Änderungen nahm das Musterabkommen ab 2005 auf. Die bisherigen zwei Absätze sind nun in drei Absätzen übersichtlicher gestaltet und zwei zusätzliche Absätze mit neuem Inhalt aufgenommen. Auch der Kommentar zu Art. 26 OECD-MA wird erheblich erweitert. Der neue Absatz 4 legt fest, dass der ersuchte Staat Auskünfte auch einholen und erteilen muss, wenn er sie für seine eigene Steuerzwecke nicht benötigt. Der neue Absatz 5 stellt klar, dass der in der Vorschrift enthaltene Geheimnisschutz der Preisgabe von Informationen, die durch das Bankgeheimnis geschützt oder im Besitz von Beauftragten sind, nicht entgegensteht.
Die Zusammenarbeit der Staaten untereinander besonders mit Blick auf den Austausch besteuerungsbedeutsamer Informationen ist durch Ereignisse im Jahr 2008 in den Blick gerückt:
Die deutschen Behörden haben über den Bundesnachrichtendienst (BND) Datenträger erworben, die zuvor bei liechtensteinischen Banken unterschlagen wurden, und Daten (auch) über deutsche Steuerpflichtige enthielten. Aufgrund dessen wurde eine Vielzahl von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeleitet, zum Teil äußerst öffentlichkeitswirksam auch gegen Prominente, was wiederum die politische Diskussion um Steuerhinterziehung und Steuerflucht angeheizt hat.
Die deutschen Behörden, also sowohl die Steuerbehörden als auch der eingeschaltete BND, haben die Daten gerade nicht im Wege der Amts- und Rechtshilfe erlangt. Zielgerichtet wurden zur Erlangung der Daten die Grenzen des EuRhÜbk umgangen, gerade weil Liechtenstein bei fiskalischen Straftaten keine Rechtshilfe gewährt. Auch hat der BND keine (innerstaatliche) Amtshilfe für die Finanzbehörden geleistet.
Etwa zur gleichen Zeit hat die US-amerikanische Bundessteuerbehörde (Internal Revenue Service – IRS) bei Schweizer Behörden um die Herausgabe von Daten ersucht über US-amerikanische Bürger, die im Verdacht standen, über die Schweizersiche UBS-Bank Einkünfte dem US-amerikanischen Fiskus entzogen zu haben. Dies führte zu einer Lockerung der Schweizerischen Rechtsprechung zum Abgabenbetrug sowie einem zwischenstaatlichen Vergleich, der zur Herausgabe von Daten über etwa 5.000 US-Bürger mündete.
aa) Die Pariser OECD-Konferenz am 21.10.2008
Auf einer Konferenz der OECD in Paris am 21.10.2008 haben die Vertreter von 17 Mitgliedstaaten auf Anstoß von Deutschland und Frankreich über ein entschlossenes Vorgehen gegen Steuerparadiese beraten. Die Teilnehmer erörterten, welche Maßnahmen gegen Staaten und Gebiete ergriffen werden können, die nicht bereit sind, mit anderen Staaten auf der Grundlage des von der OECD entwickelten Standards im Bereich der Besteuerung zusammenzuarbeiten und die so ihre Finanzplätze zu Lasten des Steueraufkommens anderer Staaten fördern. Die Teilnehmer forderten von der OECD, bis Mitte 2009 die „Schwarze Liste“ der weltweiten Steueroasen zu überarbeiten. Weltweit gibt es rund fünfzig Steuerparadiese, in denen mehr als 400 Banken, zwei Drittel der 2.000 Hedge Fonds und ungefähr zwei Millionen Briefkastenfirmen ansässig sind und an allen Kontrollen vorbei EUR 7,3 Billionen an Geldern verwaltet werden. Dazu gehören nach Angaben der OECD die niederländischen Antillen, die britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey sowie Belize, Panama und die Seychellen. Drei Staaten verweigerten der Organisation zufolge jede Zusammenarbeit: Andorra, Liechtenstein und Monaco.
Faires Verhalten für Besteuerungszwecke nach den Grundsätzen der OECD bedeutet:
• Den Behörden eines Staates oder eines Gebietes muss es möglich sein, Finanzbehörden anderer Staaten auf Ersuchen Informationen zur Verfügung zu stellen, die dort für ein Besteuerungsverfahren oder ein Steuerstrafverfahren relevant sind;
• relevante Informationen, insbesondere Informationen über die Eigentumsverhältnisse an Gesellschaften und anderen Rechtsträgern, die Begünstigten von Stiftungen, Trusts oder vergleichbaren Vereinbarungen, Bankinformationen und Finanzdaten, müssen vorhanden sein und
• diese Informationen müssen den Behörden zugänglich sein, um den Finanzbehörden anderer Staaten auf Ersuchen zur Verfügung gestellt werden zu können.
Dabei ist selbstverständlich, dass das Steuergeheimnis auch grenzüberschreitend zu wahren ist.
bb) Die Entwicklung seit der Pariser Konferenz am 21.10.2008
Die Konferenz der OECD in Paris am 21.10.2008 war der entscheidende Anstoß für weitere Initiativen auf internationaler Ebene, insbesondere der G20 . Am 15.11.2008 hat die G20 die nachdrückliche Durchsetzung des OECD-Standards in ihren Aktionsplan aufgenommen. Der nachfolgende G20-Gipfel am 2.4.2009 ließ keinen Zweifel daran, dass Abwehrmaßnahmen gegen Staaten und Gebiete zu treffen sind, die sich weiterhin unkooperativ verhalten.
cc) Die Berliner OECD-Konferenz am 23.6.2009
Am 23.6.2009 trafen sich in Berlin die Finanzminister und hochrangige Beamte aus 19 OECD-Mitgliedstaaten , darunter auch die Finanzminister Österreichs und der Schweiz sowie der luxemburgische Minister für Wirtschaft und Außenhandel. Die versammelten Minister begrüßten die jüngste Entwicklung unter Hinweis darauf, dass Transparenz und Auskunftssaustausch für Besteuerungszwecke Grundlagen fairen Wettbewerbs in einer globalen Wirtschaft und einer gerechten Verteilung der Steuerlast sind. Die Minister waren sich einig, dass die Bekämpfung der Steuerhinterziehung in einem globalen Umfeld eine gemeinsame Verantwortung aller Staaten und Gebiete ist. Sie waren sich aber auch bewusst, dass erst dann von fairen Verhältnissen gesprochen werden kann, wenn der Akzeptanz des OECD-Standards unverzüglich die Umsetzung, z. B. im Rahmen bi- oder multilateraler Vereinbarungen, und die volle Anwendung folgen.
Die Minister sprachen sich weiter für Maßnahmen gegen jene Staaten und Gebiete aus, die ihrer Zusage, den OECD-Standard zügig und wirksam umzusetzen, nicht nachkommen oder die diesen noch nicht akzeptiert haben.
Die Minister benannten auch Abwehrmaßnahmen, die gegen unkooperative Staaten und Gebiete in Betracht kommen. Es sind dies:
• Erhebung von Quellensteuern in Bezug auf ein breites Spektrum von Zahlungen, die an Personen in unkooperativen Staaten oder Gebieten geleistet werden;
• Versagung des Betriebsausgabenabzugs für Zahlungen an Personen in unkooperativen Staaten oder Gebieten;
• Kündigung von Abkommen (Doppelbesteuerungsabkommen) mit Staaten und Gebieten, die sich weigern, einen effektiven Informationsaustausch zu praktizieren.
Außerdem ziehen sie eine Harmonisierung ihrer Maßnahmen zum Schutz ihrer Besteuerungsbasis gegenüber solchen Staaten und Gebieten, die den OECD-Standard nicht zeitnah und effektiv umsetzen, in Betracht, wie z. B.:
• Erweiterte Offenlegungspflichten für inländische und ausländische Finanzinstitute und Kapitalanlagegesellschaften in Bezug auf Transaktionen, an denen unkooperative Jurisdiktionen beteiligt sind;
• Versagung der Steuerbefreiung für Beteiligungsgewinne;
• Aufforderung an internationale Finanzinstitute, ihr Anlagegeschäft in Bezug auf unkooperative Jurisdiktionen zu überprüfen.
Die Minister verwiesen schließlich auf die grundlegende Bedeutung, die der Verfügbarkeit von Informationen über die Nutzungsberechtigten von Bankkonten, Kapitalanlageeinrichtungen oder -vereinbarungen für Besteuerungszwecke zukommt. Insbesondere müssen Wege gefunden werden, die den Zugang zu Informationen über die Beteiligten oder Begünstigten von Trusts, Stiftungen, Briefkastengesellschaften und anderen Gestaltungen, die für Steuerhinterziehungszwecke eingesetzt werden können, zu erleichtern.
Abschließend verwiesen die Minister darauf, dass Transparenz und Informationsaustausch für Besteuerungszwecke unverzichtbarer Teil eines gesunden internationalen Finanzsystems sowie einer fairen internationalen Aufteilung der Besteuerungsbasis sind.
dd) Die Fortschritte bei der Durchsetzung des OECD-Standards
Die von der deutschen Bundesregierung intensiv unterstützen Bemühungen der OECD und der G20, den Druck auf so genannte Steueroasen zu erhöhen, greifen: Immer mehr Länder und Gebiete erklären sich bereit, die von der OECD entwickelten Standards zur Zusammenarbeit im Kampf gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung zu akzeptieren und in ihre Steuerpolitik zu integrieren. Folgende Länder und Gebiete haben infolge dessen ihre Bereitschaft zur Kooperation im Sinne des Standards der OECD signalisiert:
Andorra, Hongkong, Liechtenstein, Luxemburg, Macao, Monaco, Österreich, Schweiz, Singapur;
Folgende Gebiete haben mit Deutschland Abkommen auf der Basis des OECD Standards unterzeichnet:
Jersey, Guernsey, Isle of Man;
Mit einer Reihe weiterer Gebiete wird es in nächster Zeit Abkommen über Auskunftsaustausch geben. Die Kaimaninseln haben den OECD Standard in ihr internes Recht übernommen und mitgeteilt, dass sie Deutschland bereits jetzt Auskünfte erteilen können.
ee) Die Maßnahmen des deutschen Gesetzgebers
Vor dem Hintergrund stellte die deutsche Bundesregierung am 19.1.2009 ihren ersten Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und der Steuerhinterziehung“ vor, das in dem am 29.7.2009 verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz) mündete.
Die Zielrichtung des Gesetzes ist es, dass die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung künftig deutlich erschwert werden soll. Die Regelungen beziehen sich vor allem auf so genannte Steueroasen, also Länder, die die Standards der OECD nicht anerkennen. Nach dem Gesetz werden die deutschen Finanzbehörden mit zusätzlichen Vollmachten ausgestattet. Bürger, die Geschäftsbeziehungen im Ausland unterhalten, werden verpflichtet, mit den deutschen Finanzbehörden zu kooperieren und ihnen umfassend Auskunft zu erteilen. Geschieht das nicht, werden Sanktionen fällig.
Die zur Umsetzung des Gesetzes ergangene Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung (SteuerHBekV) hat das BMF am 5.8.2009 veröffentlich. Der Bundesrat hat der Verordnung in seiner Sitzung vom 18.9.2009 zugestimmt.
B. Begriffsbestimmungen
I. Die Amtshilfe
Amtshilfe ist die Hilfe, die eine Behörde (ersuchte Behörde) einer anderen Behörde (ersuchende Behörde) zur Erfüllung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gewährt.
Zwischenstaatliche Amtshilfe können die Finanzbehörden sowohl zur Verfolgung von Steuervergehen und –ordnungswidrigkeiten als auch zur Gewährleistung gesetzmäßiger Besteuerung in Anspruch nehmen. Dies gilt sowohl für die Hilfe durch ausländische Finanzbehörden als auch die Hilfe an ausländische Finanzbehörden. Die Unterscheidung zwischen Amts- und Rechtshilfe in § 117 AO ist ohne sachliche Auswirkung. § 117 AO bezieht sich ausschließlich auf die Amtshilfe für Zwecke der Besteuerung.
II. Die Rechtshilfe
Rechtshilfe ist jede Unterstützung, die für ein ausländisches Verfahren in einer strafrechtlichen Angelegenheit gewährt wird, unabhängig davon, ob das ausländische Verfahren von einem Gericht oder von einer Behörde betrieben wird und ob die Rechtshilfehandlung von einem Gericht oder von einer Behörde vorzunehmen ist (§ 59 II IRG). Der Schwerpunkt liegt dabei in der Hilfe von Gerichten bei Aufgaben der Rechtspflege, vor allem in der Strafverfolgung.
Strafrechtliche Angelegenheiten in diesem Sinne sind auch Verfahren wegen einer Tat, die nach deutschem Recht als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße oder die nach ausländischem Recht mit einer vergleichbaren Sanktion bedroht ist, wenn und soweit über deren Festsetzung ein auch für Strafsachen zuständiges Gericht entscheiden kann (§ 1 II IRG).
Die Rechtshilfegewährung ist kein Akt der Strafrechtspflege, sondern Mitwirkung an der Strafverfolgung und –vollstreckung fremder Staaten.
In der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen wird unterschieden zwischen
• der Auslieferung in den ersuchenden Staat (große Rechtshilfe) und
• der Ausführung aller anderen Handlungen der Strafsverfolgung für einen fremden Staat, wie Zustellung gerichtlicher Mitteilungen, Befragung von Zeugen oder Beschaffung und Herausgabe von Beweismitteln (kleine Rechtshilfe).
Das Auslieferungsverfahren ist ein formales Verfahren, bei dem eine Person von dem Staat, in dem er sich aufhält, in den ersuchenden Staat verbracht werden soll, um dort vor Gericht gestellt zu werden oder eine bereits verhängte Strafe zu verbüßen.
Gegenstand der kleinen Rechtshilfe sind im Wesentlichen das Bewirken von Zustellungen, die Vernehmung von Zeugen und die Beschaffung von Beweismitteln durch Durchsuchungen, die Sicherstellung und Herausgabe von Urkunden (insbesondere Geschäftsunterlagen) sowie Auskünfte (z. B. Bankauskünfte).
Rechtshilfe wird grundsätzlich durch Justizbehörden geleistet (Justizrechtshilfe). Rechtshilfe kann auch in Verfahren in Bezug auf Handlungen geleistet werden, die nach dem innerstaatlichen Recht der ersuchenden Vertragspartei oder der ersuchten Vertragspartei als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften durch Verwaltungsbehörden geahndet werden, gegen deren Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann (Art. 1 IV 2. ZP-EuRhÜbk) (Verwaltungsrechtshilfe).
III. Das Verhältnis zwischen Amtshilfe und Rechtshilfe bei steuerlichen Ermittlungen
Die Finanzbehörde kann sowohl als Strafverfolgungsbehörde in einem Steuerstrafverfahren zur Ermittlung einer Steuerstraftat (§§ 386 II, 399 I und 208 I S. 1 Nr. 1 AO) als auch als zuständige Verwaltungsbehörde in einem Bußgeldverfahren zur Ermittlung einer Steuerordnungswidrigkeit (§§ 409, 410, 208 I S. 1 Nr. 1 AO) tätig werden. Strafprozessuale Maßnahmen für Zwecke dieser Verfahren, wie z. B. Durchsuchung, Beschlagnahme und Zeugenvernehmung, sind nach den Regeln über die zwischenstaatliche Rechtshilfe in Strafsachen durchzuführen.
Soweit die Finanzbehörde – dies kann in der Praxis nur die Steuerfahndung oder die Strafsachenstelle sein – nur als Strafverfolgungsbehörde in einem Steuerstrafverfahren zur Ermittlung einer Steuerhinterziehung oder als zuständige Verwaltungsbehörde in einem Bußgeldverfahren zur Ermittlung einer Steuerordnungswidrigkeit tätig wird, sind Auskünfte ausschließlich nach den Regeln über die zwischenstaatliche Rechtshilfe in Strafsachen einzuholen.
Auch nach Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens können noch Auskünfte auf dem Amtshilfeweg zum Zweck der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen unter Beachtung des § 393 I AO eingeholt und erteilt werden. In Frage kommen von Behörden oder Gerichten erlangbare Auskünfte, wie z. B. aus Steuerakten oder öffentlichen Registern.
Für die Abgrenzung im jeweiligen Einzelfall ist entscheidend, in welcher Funktion und in welchem Verfahren die Finanzbehörde nach außen objektiv und eindeutig erkennbar tätig wird – gegenüber den jeweiligen Betroffenen ist das offenzulegen. Im Strafverfahren richten sich ihre Befugnisse nach den §§ 385 ff. AO, der StPO, dem IRG und den entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarungen. Im Besteuerungsverfahren stehen der Finanzbehörde die Befugnisse nach den Vorschriften der AO für die Amtshilfe (§ 117 IV), dem EU-Amtshilfegesetz (EGAHiG) und den einschlägigen völkerrechtlichen Vereinbarungen zu.
Die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Steuerstrafverfahren ist untrennbarer Bestandteil dieses Verfahrens. Dabei ist es unbeachtlich, dass die Ermittlungen im Steuerstrafverfahren auch dem Besteuerungszweck dienlich sind. Für das Verhältnis zwischen Amtshilfe und Rechtshilfe kommt es nicht darauf an, von welcher Stelle der Finanzbehörde das Ersuchen ausgeht. In der Praxis ist es für den betroffenen Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht nachteilig, wenn die Steuerfahndungstelle nach Einleitung des Steuerstrafverfahrens auf dem Wege der Steueramtshilfe Erkundigungen über steuererhebliche Fragen vom Ausland einholt. Die rechtsstaatlichen Garantien nach den einschlägigen Vorschriften sind ebenso ausgebaut wie nach den einschlägigen strafrechtlichen Rechtshilfebestimmungen. Insbesondere kann der Betroffene auf dem Finanzrechtsweg (§ 33 FGO) Rechtsschutz gegen die Amtshilfe in Anspruch nehmen.
C. Die Rechtsgrundlagen
Jellinek, Die Europäischen Übereinkommen der Amts- und Rechtshilfe, NVwZ 1985, 173; Laubrock, Europarat-OECD-Konvention zur steuerlichen Amts- und Rechtshilfe, BB 1987, 1224
I. Die Rechtsgrundlagen der Amtshilfe
1. Ein Überblick
Als Rechtsgrundlagen für zwischenstaatliche Amtshilfe kommen in Betracht:
- Doppelbesteuerungsabkommen (Auskunftsaustausch zur Ermittlung der Besteuerunsggrundlagen);
- Informationsaustauschabkommen;
- besondere Verwaltungsvereinbarungen zur Durchführung von DBA-Bestimmungen;
OECD / Europaratskonvention zur Amtshilfe; - besondere bilaterale Amts- und Rechtshilfevereinbarungen;
- EU-Amtshilfe-Richtlinie und EU-Amtshilfegesetz (EUAHiG);
- EU-Zusammenarbeitsverordnung auf dem Gebiet der indirekten Steuern;
- § 117 I, III AO als Auffangstatbestand.
2. Die Regelung des § 117 AO
§ 117 AO regelt ausschließlich die Rechte und Pflichten der inländischen Finanzbehörden im zwischenstaatlichen Amtshilfeverkehr. Die Erwähnung auch der Rechtshilfe im Tatbestand ist unzutreffend. Betroffen sind sowohl die Gewährung durch die deutschen Behörden gegenüber ausländischen Stellen als auch das Ersuchen um Amtshilfe seitens deutscher Behörden an ausländische Behörden. Rechte und Pflichten ausländischer Behörden im Rahmen des Amtshilfeverkehrs erfasst die Vorschrift nicht. Diese ergeben sich ausschließlich aus den bi- oder multilateralen Rechstquellen.
Fehlt eine derartige bi- oder multilateralen Rechtsgrundlage oder ist sie im konkreten Einzelfall nicht anwendbar, so ermächtigt § 117 I AO als Auffangstatbestand die inländischen Finanzbehörden, Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch zu nehmen. Den umgekehrten Fall der Gewährung von Amtshilfe durch deutsche Behörden an ausländische Behörden bestimmt § 117 II AO. Danach können die deutschen Behörden bei Eingreifen der bilateralen bzw. multinationalen Regelungen Amtshilfe leisten. Die näheren Bestimmungen zur Durchführung der Amtshilfe enthält § 117 IV AO. Schließlich enthält § 117 V AO eine Ermächtigungsgrundlage für das BMF, völkerrechtliche Vereinbarungen über die gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen, die der Förderung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit dienen, durch Rechtsverordnung in Kraft zu setzen.
Die internationale Amtshilfe im Sinne des § 117 AO ist ein eigenständiges Beweismittel und kein Unterfall der Auskunft oder der Vorlage nach den §§ 93, 97 AO. Diese Vorschriften kommen daher nicht automatisch, sondern allenfalls entsprechend zur Anwendung (vgl. auch die Verweisung des § 117 IV AO auf § 91 AO). Die Amtshilfe erstreckt sich nur auf inländische und entsprechende ausländische Steuern, nicht hingegen auf sonstige Abgaben. Zu den erfassten Steuern gehören aber auch Kommunalsteuern.
3. Die Doppelbesteuerungsabkommen
Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, Grundwerk zur Fortsetzung; Haarmann, Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, (Köln) 2004; Schnitger, Die Einbeziehung des OECD-Kommentars in der Rechtsprechung des BFH, IStR 2002, 407
Die DBA sehen regelmäßig einen Auskunftsaustausch zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen vor. Dabei ist hinsichtlich des Umfangs zwischen der großen und der kleinen Auskunftsklausel zu unterscheiden. Die Vereinbarungen gelten durchweg für die unter das DBA fallenden Steuern (Steuern vom Einkommen, also: Einkommensteuer, Körperschaftsteuer; Steuern vom Vermögen, also: Gewerbesteuer, Vermögenssteuer, Grundsteuer) sowie für die Erbschaft- und Schenkungsteuer aufgrund eigenständiger DBA.
4. Die EU-Amtshilfe-Richtlinie und das EU-Amtshilfegesetz
Der auf den bilateralen DBA beruhende Auskunftsverkehr wird innerhalb der EU durch die EG-Amtshilfe-Richtlinie, die Anwendungsvorrang genießt, überlagert. Nur, soweit die Auskunftspflicht nach DBA inhaltlich weiter geht als als anch der EG-Amtshilfe-Richtlinie, bestimmt sie sich weiterhin nach DBA.
Die EG-Amtshilfe-Richtlinie verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Gewährung von Amtshilfe im dort geregelten Umfang. Ob und inwiefern Amtshilfe verlangt werden kann, ergibt sich aus den jeweiligen EG-Amtshilfe-Gesetzen der anderen Mitgliedstaaten, mit denen sie diese Richtlinie umgesetzt haben. Die EG-Amtshilfe-Richtlinie betrifft ausschließlich den Informationsaustausch zwischen den Finanzämtern verschiedener EU-Mitgliedstaaten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.
Das EGAHiG hat diese Richtlinie in innerstaatliches deutsches Recht umgesetzt. Es regelt die Gewährung von Amtshilfe durch deutsche Behörden an Behörden eines anderen EU-Mitgliedstaates und erstreckt sich auf die Steuern vom Einkommen, Ertrag und Vermögen sowie die Umsatzsteuer (s. Teil 2 B.).
5. Die EU-Zusammenarbeitsverordnung bei den indirekten Steuern
Forvass, Mehrwertsteuerbetrug in der EU, DSWR 2004, 156; Huschens, Mehrwertsteuerrecht – Vorgaben aus Brüssel, DATEVmagazin 2009, 33
Mit der EU-Zusammenarbeitsverordnung bei den indirekten Steuern wurde ein System der engen Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen Behörden und der Kommission geschaffen. Die EU-Zusammenarbeitsverordnung ergänzte die EG-Amtshilfe-Richtlinie. Diese beiden Rechtsakte haben sich nach Ansicht des EU-Rates zwar bewährt, reichten aber nicht mehr aus, um die neuen Anforderungen im Bereich der Verwaltungszusammenarbeit zu erfüllen, die sich durch die zunehmende wirtschaftliche Integration im Binnenmarkt ergeben. Als am nächsten liegendes und kurzfristig umsetzbares Instrumentarium, um dem Mehrwertsteuer-Betrug zu begegnen, sieht die Kommission die Intensivierung und Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit.
Die Bestimmungen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, die in den beiden Rechtsakten enthalten waren, sollten daher zusammengefasst und stärker ausgestaltet werden. Aus Gründen der Klarheit sollte dies in einem einzigen neuen Rechtsakt erfolgen, der neuen Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer zum Zweck der Bekämpfung des Steuerbetrugs bei innergemeinschaftlichen Umsätzen , die in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht ist. S. Teil 2 Rz. 443.
Mit dieser zum 1.1.2004 in Kraft getretenen neuen Zusammenarbeitsverordnung wurde für alle Aspekte der Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Mehrwertsteuer ein einziges Rechtsinstrument geschaffen. Die Verordnung enthält Bestimmungen über den elektronischen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Ziel der Verordnung ist es, sicherzustellen, dass innergemeinschaftliche Lieferungen im Bestimmungsland ordnungsgemäß umsatzbesteuert werden sowie einen Steuerbetrug bei solchen Umsätzen zu bekämpfen. Die Verordnung schafft vor allem Rechtsgrundlagen für den automatischen Auskünfte bezogen auf die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern.
Flankiert wird diese Maßnahme durch das so genannte Fiscalis-Programm 2003-2007 , das die Mitgliedstaaten bei der Betrugsbekämpfung mittels engerer Zusammenarbeit unterstützen soll, etwa durch verbesserte elektronische Systeme zum Informationsaustausch, Schulungsseminare und Personalaustauschmaßnahmen. Besonderes Augenmerk wird hierbei auch auf die Entwicklung von Risikoanalyse- und Risikomanagementmodellen und gezielte, EDV-unterstützte Kontrollmechanismen gelegt. Daher sollte auch das EU-weite elektronische Mehrwertsteuer-Informations-Austausch-System „MIAS“ durch ein leistungsfähigeres und flexibleres System ersetzt werden. S. Teil 2 Rz. 453 f.
Die EU-Kommission hat im März 2008 einen Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie und der sogenannten Zusammenarbeitsverordnung verabschiedet. Die Vorschläge hat der Rat in Form der Richtlinie 2008/117/EG vom 16.12.2008 und der Verordnung (EG) Nr. 37/2009 vom 16.12.2008 angenommen. Damit werden ab 2010 Sammlung und Austausch von Informationen im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichen Umsätzen beschleunigt , um eine schnelle Aufdeckung von Fällen des sogenannten Umsatzsteuer-Karussellbetrugs zu ermöglichen.
6. Die Amtshilfe- und Rechtshilfeverträge
Mit Finnland, Schweden, Österreich und Italien bestehen besondere Amts- und Rechtshilfeverträge, die den großen Auskunftsaustausch vorsehen und in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich teilweise über die in den DBA genannten Steuern hinausgehen. Soweit neben diesen besonderen Abkommen auch DBA abgeschlossen sind und nicht in dem zeitlich jüngeren Abkommen ein anderes bestimmt ist, sind die einzelnen Rechtsgrundlagen unabhängig voneinander und nebeneinander sowie wahlweise anwendbar. Insbesondere setzen jüngere DBA ältere spezielle Vereinbarungen nicht ohne weiteres außer Kraft, selbst wenn die Auskunftsklausel des DBA enger ist. Auch können diese Amtshilfe- und Rechtshilfeverträge den Auskunftsverkehr nach der EG-Amtshilfe-Richtlinie nur erweitern.
7. Besondere Bereiche
Die mit einzelnen Staaten abgeschlossenen Sonderabkommen betreffend Einkünfte aus Luftfahrt- oder Schifffahrtsunternehmen enthalten keine Amtshilfeklauseln. Das gleiche gilt grundsätzlich für die Ernschaftsteuerabkommen. Ausnahme ist hier das Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, das eine große Auskunftsklausel enthält. Schließlich bestehen noch besondere bilaterale Abkommen für Zollsachen, die Regelungen zum Auskunftsaustausch enthalten.
II. Die Rechtsgrundlagen der Rechtshilfe
1. Die multilateralen Übereinkommen
a) Das Europäische Auslieferungsübereinkommen
Das Europäische Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) vom 13.12.1957 regelt im Zusammenhang mit dem 2. Zuatzprotokoll vom 17.3.1978 (2. ZP-EuAlÜbk) die Auslieferung im Falle von Straftaten (s. Teil 3 Rz. 8).
b) Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen
Der sonstige Rechtshilfeverkehr findet im Wesentlichen nach
• dem Europäischen Übereinkommen vom 20.4.1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen (EuRhÜbk) in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll vom 17.3.1978 zu dem vorbezeichneten Übereinkommen (ZP-EuRhÜbk) sowie
• zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach dem Übereinkommen vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen in Verbindung mit den Art. 48-53 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) in Verbindung mit den jeweiligen Übereinkommen über den Beitritt zum Schengener Durchführungsübereinkommen
statt. Dabei sind die etwaigen Vorbehalte der jeweiligen Vertragsstaaten sowie bilaterale Ergänzungsverträge zu beachten (s. Teil 3 Rz. 10).
Die vorgenannten Europäischen Übereinkommen bilden nur eine Grundlage, aber keine Verpflichtung zur Rechtshilfegewährung. Eine solche ergibt sich erst aus Zusatzverträgen – wie z. B. dem 2. Zusatzprotokoll zum EuRhÜbk vom ___.2001 (2. ZP-EuRhÜbk) – oder aus Zusatzvereinbarungen zum EuRhÜbk. Allerdings enthalten diese Zusatzvereinbarungen zum Teil einen Ablehnungsvorbehalt für Steuerstraftaten (Fiskalvorbehalt) (s. Teil 3 Rz. 6).
Rechtshilfe wird in Strafsachen sowie in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten bei Verstößen gegen die gesetzlichen Bestimmungen und Vorschriften im Bereich der Verbrauchsteuern, der Mehrwertsteuern und des Zolls nach Maßgabe des Art. 50 SDÜ geleistet. Dieses informell auch oft als „Schengen II“ bezeichnete Abkommen legt die konkreten Verfahrensabläufe der Umsetzung des Schengener Übereinkommens in gesetzlicher und technischer Hinsicht fest (s. Teil 3 Rz. 56).
Die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften genießen gegenüber den nationalen Regelungen Anwendungsvorrang.
2. Die bilateralen Rechtshilfeübereinkommen
Neben den multilateralen Abkommen hat Deutschland mit zahlreichen Staaten Abkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen abgeschlossen. Hierbei sind aber die bilateralen Verträge, die sich auf ein multilaterales Abkommen beziehen und diese ergänzen, von den selbständigen, rein zweiseitigen Abkommen zu unterscheiden. Die meisten Abkommen enthalten eine allgemeine Verpflichtung zur Rechtshilfe, wobei allerdings die Gewährung von Rechtshilfe bei Steuerstraftaten versagt werden kann (Ablehungsvorbehalt, Fiskalvorbehalt). Einige Staaten haben sogar die Rechtshilfe bei Steuerstrafsachen generell ausgeschlossen.
3. Die nationalen Bestimmungen
a) Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen
Das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) vom 23.12.1982 regelt die Voraussetzungen, unter denen die deutsche Justiz den ausländischen Justizbehörden Rechtshilfe leistet (s. Teil 3 Rz. 73 ff.).
Ausführliche Hinweise geben die Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) vom 18.9.1994 i. d. F. vom 8.12.2008. Hierbei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung und den Regierungen der Länder mit aktuellen Hinweisen.
b) Das innerstaatliche Recht des ersuchten Staates
Auch andere Staaten haben die Gewährleistung von Rechtshilfe durch ihre Justizbehörden in eigenen Gesetzen geregelt. Beispielhaft zu erwähnen sind hier wegen ihrer großen praktischen Bedeutung:
• das Schweizerische Bundesgesetz über Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) vom 20.3.1981 nebst dazu ergangener Verordnung über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfeverordnung, IRSV) vom 24.2.1982 (s. Teil 3 Rz. 90 ff.);
• das Österreichische Gesetz über die Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen (ARHG) vom 4.12.1979 (s. Teil 3 Rz. 144 ff.).
D. Der Geheimnisschutz bei Amts- und Rechtshilfe
I. Das Steuergeheimnis
Eilers, Das Steuergeheimnis als Grenze des internationalen Auskunftsverkehrs, (Köln) 1987; Gstöhl, Geheimnisschutz im Verfahren der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, (Bern) 2008
1. Das nationale Steuergeheimnis
Ein zwischenstaatliches Amtshilfeersuchen ist darauf gerichtet, steuerliche Verhältnisse preiszugeben. Diese sind aber durch das Steuergeheimnis geschützt. Die Preisgabe im Rahmen der Amtshilfe ist jedoch eine grundsätzlich zulässige Offenbarung (§ 30 IV Nr. 1 i. V. m. II Nr. 1 AO). Es darf jedoch nicht mehr mitgeteilt werden, als zur Erfüllung des Amtshilfeersuchens notwendig ist. Das Ersuchen muss der Durchführung des jeweiligen innerstaatlichen Verfahrens dienen. Erforderlich ist ein enger, zielgerichteter Zusammenhang mit einem konkreten Steuerfestsetzungsverfahren.
Soweit die deutschen Finanzbehörden danach zur Amtshilfe berechtigt sind, ist eine Offenbarung steuerlicher Verhältnisse im Sinne des § 30 IV Nr. 2 AO „durch Gesetz ausdrücklich zugelassen“. § 117 II AO i. V. m. mit den in nationales Recht transformierten Regelungen völkerrechtlicher Vereinbarungen sind unzweifelhaft gesetzliche Bestimmungen im diesem Sinne, die eine Offenbarung und damit eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses zulassen.
Zwischenstaatliche Amtshilfe ohne eine Offenbarung steuerlicher Verhältnisse ist im Übrigen nicht vorstellbar, ist dies doch gerade Inhalt der Amtshilfe. § 30 IV Nr. 1 AO ist nicht einschlägig.
Ob eine ausländische Finanzbehörde nach ihrem Recht verpflichtet ist, die übermittelten Informationen geheimzuhalten, ist für die Offenbarungsbefugnis der ersuchten deutschen Behörde nach § 30 AO unbeachtlich, weil und solange Auskunft erteilt werden darf. Die Geheimhaltung seitens der ausländischen Behörde ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeit unter Beachtung von § 117 III Nr. 4 AO zu berücksichtigen. Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt somit die bereichsspezifische Verwendung der übermittelten Daten Rechnung.
Eine Verletzung des Steuergeheimnisses ist im Fall der Zustimmung der Betroffenen ausgeschlossen (§ 30 IV Nr. 3 AO entsprechend).
2. Das internationale Steuergeheimnis
a) Die Regelung in den Doppelbesteuerungsabkommen
Art. 26 II OECD-MA statuiert für den ersuchenden Staat eine Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der durch die zwischenstaatliche Zusammenarbeit gewonnenen Informationen. Während Art. 26 II OECD-MA 1963 noch eine absolute Geheimhaltungspflicht anordnete, hat die Änderung des Art. 26 II OECD-MA 1977 die Geheimhaltungspflicht relativiert: Informationen die ein Vertragsstaat erhalten hat, sind „ebenso geheim zu halten wie die aufgrund des innerstaatlichen Recht dieses Staates beschafften Informationen.“
Die neueren Abkommen gemäß Art. 26 II OECD-MA 2005 statuieren demgegenüber eine eigene Geheimhaltungspflicht, in der teilweise die Schaffung eines vom nationalen Recht der Vertragsstaaten unabhängigen internationalen Steuergeheimnisses gesehen wird. Der ersuchende Staat darf die erhaltenen Informationen nur solchen Personen und Behörden zugänglich machen, die mit der Veranlagung oder Erhebung der unter das Abkommen fallenden Steuern oder mit der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder mit der Entscheidung von Rechtsmitteln über solche vom Abkommen umfassten Steuern befasst sind. Diese Personen oder Behörden dürfen die erhaltenden Informationen nur für diese Zwecke verwenden. Nach Art 26 I S. 5 OECD-MA ist eine Offenlegung lediglich in öffentlichen Gerichtsverfahren oder in einer Gerichtsentscheidung zulässig. Eine enge Zweckbindung des Datenaustausches soll vor allem vermeiden, dass im Wege der steuerlichen Amtshilfe Wirtschaftsspionage und sonstige steuerfremde Zwecke (durch Devisen-, Zoll- oder Wettbewerbsbehörden) verfolgt werden.
Soweit DBA die Offenlegung einer Information in einem Gerichtsverfahren verbieten, oder dies von der besonderen Zustimmung des ersuchten Staates abhängig machen, geschieht dies aus Gründen des Geheimhaltungsschutzes, der in öffentlichen Gerichtsverfahren nicht gewährleistet ist. Da im deutschen Finanzgerichtsverfahren das Steuergeheimnis gilt (§§ 30, 7 AO), kann die Öffentlichkeit auf Antrag eines Beteiligten – nicht des Finanzamtes – ausgeschlossen werden (§ 52 II FGO). Stellt der betroffenen den Antrag nicht und dürfen deshalb im Ausland beschaffte Beweismittel nicht offengelegt werden, so ist dies als Beweisvereitelung zu würdigen. Für die deutschen Behörden gilt über § 117 I AO außerdem § 30 AO. Bei Erhalt einer Auskunft im Kulanzwege ist § 30 AO einzige Schranke der Auskunftsverwertung.
Dies betrifft im Wesentlichen die Inanspruchnahme von Amtshilfe, also die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der eine Imformation empfangende Staat diese weitergeben bzw. verwerten darf. Dies steht in engem Zusammenhang, inwieweit bei Gewährung von Amtshilfe Rücksicht darauf zu nehmen ist, welche Geheimhaltungsbestimmungen im empfangenden Staat bestehen.
b) Die Regelung im EGAHiG
aa) Die Gewährung von Amtshilfe
Auskünfte dürfen nach dem EGAHiG innerhalb der EU nur erteilt werden, wenn die Geheimhaltung im ersuchenden Staat gewährleistet ist (§§ 3 I Nr. 3, 4 EGAHiG, § 117 III Nr. 2 AO). Grundsätzlich unterliegen alle Angaben, die die deutschen Finanzbehörden im Zusammenhang mit einem Auskunftsaustausch an ausländische Finanzbehörden erteilen, den dort bestehenden nationalen Bestimmungen über die Geheimhaltung. Darüber hinaus gilt der besondere Geheimhaltungsschutz in den völkerrechtlichen Vereinbarungen und der EU-Amtshilfe-Richtlinie. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Geheimhaltung im Ausland nicht gewährleistet ist, lässt sich das BMF erforderlichenfalls von der ausländischen Finanzbehörde einzelfallbezogene entsprechende Zusicherungen geben.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass der internationale Amtshilfeverkehr eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses nach § 30 IV Nr. 2 AO bedeutet. Insofern fordert das BMF zum Schutze des deutschen Betroffenen, dass auch die ausländische Steuerverwaltung über das dort geltende nationale Steuergeheimnis hinaus einen Mindeststandard eines völkrerrechtlich begründeten, eingenständigen Geheimnisschutzes in Form eines sog. „internationalen Steuergeheimnisses“ garantiert.
bb) Die Inanspruchnahme von Amtshilfe
Nach § 4 I S. 1 EGAHiG dürfen Auskünfte, die der nationalen Finanzbehörde von der zuständigen Finanzbehörde eines anderen EU-Mitgliedstaates zugehen, nur für Zwecke
• der Steuerfestsetzung,
• der Überprüfung der Steuerfestsetzung durch die Aufsichtsbehörden,
• zutreffenden Erhebung der indirekten Steuern,
• der Rechnungsprüfung oder
• zur Wahrnehmung gesetzlicher Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse
verwendet und nur solchen Personen offenbart werden, die mit diesen Aufgaben unmittelbar befasst sind. Das gilt auch dann, wenn durch Gesetz des empfangenden Staates eine weitergehende Verwendung oder Offenbarung der Informationen zugelassen ist (nach deutschem Recht z. B. Weiterleitung der Daten an Sozialversicherungsträgerund Ausländerbehörden nach §§ 31a, b AO). Schließlich die Verwendungsbefugnis des EGAHiG solchen Bestimmungen als speziellere Vorschrift vor. Eine weitergehende Verwendung ist dann zulässig, wenn die zuständige Finanzbehörde des ersuchten Mitgliedstaates dem zustimmt (§ 4 I S. 2 EGAHiG).
Erlaubt ist die Weitergabe der Informationen in einem gerichtlichen Verfharen oder in einem Straf- oder Bußgeldverfahren für Zwecke dieser Verfahren unmittelbar an die daran beteilgten Personen, wenn diese Verfahren in Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung oder der Erhebung der indirekten Steuern stehen (§ 4 I S. 3 EGAHiG). Damit ist den Anforderungen, die das BVerfG an die gesetzliche Regelung des bereichsspezifischen Verwendungszwecks stellt, Rechnung getragen. Dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung kommt dabei keine weitergehende Bedeutung zu als dem Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses.
II. Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis
1. Allgemeines
Praktisch bedeutsam ist auch die Frage, ob und inweifern ein inländischer Beteiligter im Rahmen eines Auskunftsersuchens nationaler Behörden, die einem ersuchenden Staat Amtshilfe gewähren sollen, zur Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verpflichtet ist. Diese Frage kommt ebenso auf bei der Inanspruchnahme von Amtshilfe, wenn nämlich mit dem Ersuchen auf Amtshilfe solche Geheimnisse gegenüber den Behörden des anderen Staates offenbart werden.
Grundsätzlich besteht eine Offenbarungspflicht der Beteiligten und anderer inländischer Personen auch im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Weitergabe solcher Informationen ist nicht schlechterdings unzulässig. Jedoch gelten hier die allgemeinen gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Schranken. Problematisch ist allerdings weniger die Inanspruchnahme als vielmehr die Gewährung von Amtshilfe, insbesondere bei Spontanauskünften.
Im Rahmen des Steuergeheimnisses, des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Finanzbehörde auch auf die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des inländischen Betroffenen Rücksicht zu nehmen. Dies gilt bei der Inanspruchnahme wie bei der Gewährung von Amtshilfe gleichermaßen.
2. Die Regelung in den Doppelbesteuerungsabkommen
Gemäß Art. 26 II Buchstabe c OECD-MA 1964/1977 ist ein Vertragstaat nicht verpflichtet, Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Geschäfts-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren preisgeben würden. Abweichend vom Musterabkommen sehen einzelne DBA zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ein Auskunftsverbot vor. Dies ist bei den zwischen Deutschland und Luxemburg, Schweden und der Schweiz geschlossenen Abkommen der Fall.
Als Geschäftsgeheimnisse im weitesten Sinne seien hier beispielhaft genannt:
• Allgemein:
o Betriebsorganisation,
o Bürotechnik,
o Geschäftsabschlüsse,
o Geschäftsbeziehungen,
o Geschäftsorganisation,
• Marketing und Vertrieb:
o Absatz- und Investitionsplanungen,
o Agentenverzeichnisse,
o Art der Kundenwerbung und des Warenabsatzes,
o Beschaffenheit der Ware,
o Gebietsabsprachen,
o Kundenverzeichnisse,
o Marktkenntnisse,
o Preisgestaltung, Preislisten,
o Vertragsbeziehungen,
o Vertragsgestaltungen,
o Warenkatalog,
o Werbeaufwendungen,
o Werbemaßnahmen und Werbemethoden;
• Einkauf:
o Bezugsquellen,
o Lieferantenlisten;
• Forschung und Entwicklung:
o Erfindungen – sei es als Patent bzw. Geschmacksmuster geschützte, sei es als ungeschützte,
o Forschungsangelegenheiten,
o Forschungsvorhaben,
o Forschungskosten,
o Geheimverfahren,
o Know how,
o Lizenzen und Lizenzgebühren,
o Rezepte,
o Schutzrechte;
• Produktion:
o Anwendung eines an sich bekannten Verfahrens in einem bestimmten Bereich,
o Fabrikationsverfahren,
o Schablonen, Schnitte
o Testprotokolle;
• Rechnungswesen und Controlling:
o Beteiligungsverhältnisse
o Betriebsergebnisrechnungen,
o Bilanzen,
o Bonitätshinweise,
o Investitionsvorhaben und Investitionen,
o Kalkulationsunterlagen und Kalkulationen, Kostenberechnungen.
Es genügt, dass allgemein zugängliche Informationen systematisch zusammengestellt und ausgewertet werden, so dass sich daraus Erkenntnisse ergeben, die allgemein nicht bekannt sind.
Allerdings sind die vorbezeichneten Geschäftsgeheimnisse einschränkend auszulegen nach dem Sinn und Zweck des Geheimnisschutzes, nämlich einen ungehinderten, fairen Wettbewerb zu dienen. Daher umfasst der völkerrechtlichen Geheimhaltungsbegriff nur solche Tatsachen und Umstände, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar seien. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses bleibt somit hinter dem Begriff im nationalen Recht zurück. Zur Begründung wird der Sinn und Zweck der zwischenstaatlichen Amtshilfe angeführt. Ein Geheimnis im abkommensrechtlichen Sinne liege danach nur dann vor, wenn es sich um Kenntnisse handelt, die außerhalb des Besteuerungsverfahrens im Wirtschaftsverkehr einer selbständigen beruflichen oder geschäftlichen Nutzung fähig sind.
Kein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist die Art der Abwicklung der Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Unternehmen. Dies gilt auch dann wenn die Geschäftsbeziehung unter Einschaltung von Dritten oder über einen Drittstaat abgewickelt werden.
Entscheidend sind also in erster Linie objektive Merkmale. Ein subjektiver Geheimhaltungswille ist allenfalls ergänzend heranzuziehen.
Nach anderer Ansicht ist der abkommensrechtliche Geheimnisbegriff weiter auszulegen und umfasse alle Verhältnisse des Betriebes, die nicht offenkundig und mithin so wichtig seien, dass es nach dem Willen des Unternehmers geheimgehalten werden solle und auch ein schutzwürdiges Interesse des Unternehmers an der Geheimhaltung bestehe. Diese Auffassung versteht den abkommensrechtlichen Geheimhaltungsbegriff danach wie er nach § 30 II Nr. 2 AO zu verstehen ist.
Diese Auffassung, die auf den Willen des Betroffenen und damit auf subjektive Umstände abstellt, führt nach der herrschenden Ansicht zu einem weitgehenden Leerlaufen abkommensrechtlicher Auskunftsklauseln. Diese sind aber vom Effektivitätsgrundsätz geprägt: Vertragsbestimmungen sind so auszulegen, dass ihr Zweck nach Möglichkeit erreicht wird, dass sie einen praktischen Nutzen haben und dass sich ihre Nutzwirkung voll entfalten kann.
Der internationale Schutz dieser Geheimnisse ist stärker ausgeprägt als der Nationale – im inländischen Besteuerungsverfahren besteht eine umfassende Offenbarungspflicht auch bezüglich von Geschäftsgeheimnissen, begrenzt nur durch verfassungsrechtliche Schranken. Berufsgeheimnisse berechtigen zur Aussageverweigerung lediglich unter den Voraussetzuungen der §§ 102, 104 AO. Die Kompensation erfolgt durch innerstaatliche Steuergeheimnis (§ 30 II Nr. 2 AO).
Der weitergehende internationale Schutz hat eine doppelte Schutzfunktion: Zum einen dient er der Verhinderung von Wirtschaftspionage, weil und soweit dieser durch das internationale Steuergeheimnis nicht hinreichend gewährleistet erscheint. Zum anderen soll er auch die inländischen Auskunftspersonen vor den Folgen von Wirtschaftspionage und einer légèren Verschwiegenheitspraxis im Empfängerstaat bewahren. Damit liegen Bestimmungen zum Geheimnisschutz in DBA nicht allein im öffentlichen Interesse.
Den Betroffenen steht ein über die §§ 101 ff. AO hinausgehendes Auskunftsverweierungsrecht nicht zu. Ein darüber hinaus gehender Geheimnisschutz steht im Ermessen der Vertragsstaaten. Da die DBA nicht die individuellen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen schützen wollen, sondern nur den beteiligten Vertragsstaaten Pflichten auferlegen und Rechte gewähren, haben die Geheimnisberechtigten grundsätzlich keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung eines zwischenstaatlichen Amtshilfeersuchens durch ihren Ansässigkeitsstaat. (str.) Ein solcher Anspruch besteht nur im Falle eines absoluten Inforamtionsverbotes, da dieses auch dem Geheimnisberechtigten ein Recht auf Geheimhaltung verschafft.
Soweit in den DBA eine dem Art. 26 II Buchstabe c OECD-MA 1964/1977 entsprechende Regelung übernommen wurde, ist die Finanzbehörde grundsätzlich berechtigt, Amtshilfe zu leisten. Nach dem entsprechend anwendbaren § 117 III S. 1 Nr. 4 AO darf die Finanzbehörde die Amtshilfe lediglich dann nicht leisten, wenn die Gefahr besteht, dass dem inländischen Beteiligten ein mit ihrem Zweck nicht zu vereinbarender Schaden entsteht.
Ein solcher Schaden ist noch nicht darin zu sehen, dass die Weiterleitung von Informationen über die Grenze geschäftliche Nachteile mit sich bringt – z. B., dass Kunden sich abwenden, da das Interesse an einem umfassenden Amtshilfeverkehr insoweit vorrangig ist. (str.)
Die Gefahr einer Schädigung liegt nicht nur darin, dass einem ausländischen Unternehmen Geschäftsgeheimnisse bekannt werden, sondern ebenso darin, dass diese Geheimnisse dem ausländischen Staat bekannt werden. Ein solch unzumutbarer Schaden kann darin liegen, dass die informierte ausländische Stelle die erlangten Informationen für außersteuerliche Zwecke verwendet.
Auch stellt die zutreffende Besteuerung des inländischen Beteiligten durch den ersuchenden Staat keinen Schaden im Sinne der Vorschrift dar.Die drohende Zahlung einer Steuer ist keine beachtliche Schadensgefahr Der drohende Schaden muss von nichtsteuerlicher Art sein.
3. Regelung im EGAHiG
Im Bereich des Amtshilfeverkehrs mit anderen EU-Mitgliedstaaten enthält das EGAHiG eine Sonderregelung. Besteht danach die Gefahr, dass aufgrund der Auskünfte der inländischen Beteiligten ein Schaden entsteht, der mit dem Zweck der Auskunft nicht zu vereinbaren ist (vgl. § 3 I Nr. 4 EGAHiG; § 117 III S. 1 Nr. 4 AO, s. dazu Teil 2 Rz. 439), darf die Auskunft nicht erteilt werden. Ebenso darf die Auskunft nicht erteilt werden, wenn sich das ausländische Auskunftsersuchen auf ein Handels-, Geschäfts-, Gewerbe- oder Berufsgeheimnis oder ein Geschäftsverfahren (Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis) erstreckt. Unter Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis sind aber ebenfalls nur solche Tatsachen und Umstände, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar sind und deren unbefugte Nutzung zu beträchtlichem Schaden führen kann (Rz. 171). Die Art der Abwicklung der Geschäftsbeziehungen zwischen zwei Unternehmen ist kein solches Geschäfts- und Betriebsgeheimnis. Dies gilt selbst dann, wenn die Geschäftsbeziehungen unter Einschaltung von Dritten oder über einen Drittstaat abgewickelt werden.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine zutreffende Besteuerung des Betroffenen für sich allein noch kein Schaden im Sinne dieser Bestimmung ist. Auch das Bankgeheimnis ist – anders verhält es sich in der Schweiz – kein hierunter fallendes Geschäftsgeheimnis. Insgesamt ist der Begriff restriktiv auszulegen, dient er doch der Verhinderung von Wirtschaftsspionage.
III. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Datenschutz
Im Rahmen des internationalen Auskunftsverkehrs werden notwendigerweise steuerlich erhebliche Daten übermittelt. Damit stellt dies einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG) dar. Geschützt ist danach die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.
Nachdem die EU zunächst Datenschutzrichtlinien erlassen hatte, wurde der Datenschutz im Jahre 2000 in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufgenommen, und zwar in Art 8 – Schutz personenbezogener Daten:
(1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.
(2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.
(3) Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht trägt in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen aus informationsbezogenen Maßnahmen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung, ergeben . Es gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Dieses sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfasst nach der Rspr. des BVerfG neben den Verhältnissen der persönlichen Lebensführung auch die beruflichen, betrieblichen, unternehmerischen und sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die in den angegriffenen Normen geregelten Datenabrufe greifen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Diese Normen haben zum Ziel, vor allem den Strafverfolgungs-, Finanz- und Sozialbehörden Kenntnis über das Bestehen von Konten und Depots, die der Betroffene bei inländischen Kreditinstituten unterhält, und Informationen über die entsprechenden Stammdaten zu verschaffen. Die im Anschluss an die Ermittlung der Kontostammdaten erhebbaren Informationen über Kontoinhalte können für den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen bedeutsam sein.
Das informationelle Selbstbestimmungsrecht verpflichtet somit den Gesetzgeber, „verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken“.
Aus diesem Persönlichkeitsrecht der informationellen Selbstbestimmung leitet sich das Steuergeheimnis (§ 30 AO) ab. Demnach ist die Geheimhaltung steuerlicher Angaben und Tatsachen prinzipiell grundrechtlich verbürgt.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 I GG steht unter den drei unmittelbaren Verfassungsschranken der Rechte anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und des Sittengesetzes (sog. Schrankentrias). Praktisch bedeutsam ist die Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung.
Die verfassungsmäßige Ordnung ist die Gesamtheit aller Normen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen. Dazu gehören alle gültigen Rechtsnormen, Bundes- und Landesrecht jeder Rangstufe bis hin zu einer ordnungsbehördlichen Verordnung sowie die darauf gestützten Einzelmaßnahmen, besonders Verwaltungsakte, aber auch Realakte. Das einschränkende Recht muss formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen. Auf der Prüfung der „Schranken-Schranken“, namenstlich dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, liegt in vielen Fällen der Schwerpunkt der Prüfung des Art. 2 I GG. Als Folge des Übermaßverbotes hat das BVerfG folgende Abwägungsdirektive aufgestellt: „Je mehr dabei der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsform der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, umso sorgfältiger müssen die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers angewogen werden.“
Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 I GG und damit auch in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedarf einer gesetzlichen Ermächtigung. Für behördliche Ermittlungen, die Datenerhebungen zum Gegenstand haben und solche Maßnahmen vorbereiten, die die Belange der Betroffenen erheblich berühren können- sei es, dass sie der Strafverfolgung dienen und damit Grundrechtseingriffe von großem Gewicht nach sich ziehen können, sei es, wenn sie auf die Richtigkeit der Festsetzung und Erhebung von Steuern abzielen – müssen der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm dienen insbesondere auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen. Dies setzt voraus, dass hinreichend klare Maßstäbe bereitgestellt werden. Die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein. . Zu den Bestimmtheitsanforderungen gehört es, den Erhebungszweck in einer dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügenden Weise festzulegen. Mindestvoraussetzung dafür ist die Angabe im Gesetz, welche staatliche Stelle zur Erfüllung welcher Aufgaben zu der geregelten Informationserhebung berechtigt sein soll. Ein bloßer Verweis auf die Zuständigkeitsordnung insgesamt genügt dem Gebot der Normenklarheit und Bestimmtheit nicht. Damit erfordert der verfassungsrechtliche Schutz gegen eine unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe von Daten über persönliche Verhältnisse eine ausdrückliche, bereichsspezifische Verwendungsregelung. Nach stRspr. des BVerfG ist Steuerkontrolle zur Wahrung des allgemeinen Besteuerungsinteresses notwendig – Steuerdatenschutz heisst danach Wahrung des Steuergeheimnisses in den durch § 30 AO gezogenen Grenzen.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung begrenzt die Datenübermittlung über die Grenze ist grundsätzlich nicht enger als die innerstaatliche Datenweitergabe. Soweit mit einem Amtshilfeersuchen dennoch relevante personenbezogene Daten weitergegeben werden, stellt schon das Steuergeheimnis nach § 30 AO eine ausreichende Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Datenweitergabe ist nur zum Zwecke der Besteuerung des Betroffenen zulässig. Weitergehende Umschreibungen des Verwendungszweckes – etwa das Rekurieren auf bestimmte Steuerarten – ist nicht erforderlich.
Die Bedenken gegen Amtshilfeauskünfte ohne Ersuchen sowie Kontrollmitteilungen wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist unbegründet. Der Datenschutz bei der Verwendung der Daten gewährleistet § 30 AO. Soweit die formellen und materiellen Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen für den nationalen Auskunftsaustausch nach den jeweils einschlägigen Normen (etwa den Auskunftsklauseln der DBA oder dem EGAHiG) eingehalten werden, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt.