Mit der Richtlinie 2018/822/EU zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustauschs im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (DAC6) setzt die EU den Aktionspunkt 12 BEPS-Aktionsplan der OECD um, der vorsieht, dass aggressive Transaktionen, Modelle oder Strukturen offen zu legen sind.
Der deutsche Gesetzgeber hat DAC 6 mit dem zum 1.1.2020 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 umgesetzt. Im Gesetzentwurf (BR-Drucksache 489/19) ist als Ziel genannt, grenzüberschreitende Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerungen zeitnah zu identifizieren und zu verringern, um die Erosion des deutschen Steuersubstrats zu verhindern. Die Gesetzesbegründung erwähnt ausdrücklich das sog. „Goldfinger“-Modell sowie „Cum-Ex“-Gestaltungen, die vor deutschen Gerichten als Steuerhinterziehungen angeklagt sind.
DAC 6 führt also die Pflicht zur Mitteilung von solchen Steuergestaltungen ein, die der Gesetzgeber grundsätzlich für geeignet hält, Steuern zu verkürzen. Die Mitteilung ist binnen 30 Tagen ab dem Meldeereignis zu machen. Als Meldeereignisse definiert § 138f Abs. 2 AO Vorbereitungshandlungen. Jedoch sind auch bereits ab dem 24.6.2018 in Gang gesetzte Steuergestaltungen mitzuteilen. Die EU-AHR sieht ebenso wie die deutschen Umsetzungsnormen zwei Personengruppen vor, die potenziell zu einer Mitteilung verpflichtet sein können: Dies sind zunächst die sog. Intermediäre, worunter vorwiegend steuerliche Berater (insbes. Steuerberater) und Finanzberater fallen. Daneben kann die Pflicht zur Mitteilung aber auch dem sog. Nutzer einer Steuergestaltung (was vereinfacht dem Steuerpflichtigen entspricht) zufallen.
Im Rahmen von DAC 6 sind grenzüberschreitende Steuergestaltungen, die einen Bezug zu mindestens einem EU / EWR-Staat ausweisen, zu melden. Die DAC 6 ist eine Regelung im Rahmen der EU-Amtshilfe-Richtlinie (EU-AHR). Nach Art. 8 aaa. Annex 4 EU-AHR ist ein Austausch der im Rahmen der Anzeigen nach DAC 6 erlangten Informationen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und auch den EWR-Staaten vorgesehen, und zwar erstmals per 31.8.2020.
Die mit einer DAC-6-Meldung an die Finanzbehörde eines Mitgliedstaates übermittelten Daten gibt diese Finanzbehörde im Wege des automatischen Informationsaustausches nach der EU-AHR an die anderen Mitgliedstaaten weiter. Hier stehen die Daten den anderen Mitgliedstaaten zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Aber auch die Finanzbehörden in dem Staat, in dem gemeldet wurde, dürfen die Informationen nutzen.
Um sich über die Bedeutung der DAC-6-Meldung klar zu werden, sind die weiteren Verwendungsmöglichkeiten der gemeldeten Daten zu betrachten.
Verwendung im Besteuerungsverfahren
Ein empfangender Mitgliedstaat darf die Daten zur Durchführung eines Besteuerungsverfahrens verwenden. Diese bereichspezifische Verwendung hält Art. 16 EU-AHR dahingehend fest, dass das nationale Recht des empfangenden Staates für die weitere Verwendung massgeblich ist.
Die Verwendung der Informationen aus DAC-6-Meldungen zum Zwecke der Durchführung von Besteuerungsverfahren in den EU- und EWR-Mitgliedstaaten ist das primäre Ziel, aber nicht alleinige Ziel dieser Regelung.
Verwendung in Strafverfahren
Enthalten die im Rahmen einer DAC-6-Meldung übermittelten Informationen Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat oder eine vorgenannte nichtsteuerliche Straftat, so besteht die ernstliche Gefahr, dass deswegen über kurz oder lang ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eröffnet wird. Bei Anhaltspunkten für eine Steuerstraftat haben die Finanzämter nach Nr. 130, 132 AStBV (St) 2019 die Strafsachen- und Bussgeldstellen zu unterrichten. Durch die Meldepflicht besteht mithin die Gefahr, dass sich der Steuerpflichtige selbst oder durch seine Bankiers und Berater strafrechtlicher Verfolgung ausliefert. Das Problem stellt sich praktisch nur dann nicht, wenn es sich um eine zweifelsfrei legale Steuergestaltung handelt.
In Deutschland ist die Offenbarung für ein Steuerstrafverfahren nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 4 Nr. 1 AO zulässig. Dabei steht den Finanzbeamten kein Ermessen zu, vielmehr folgt aus dem Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO), dass ein Strafverfahren einzuleiten ist, sobald sich der Verdacht einer verfolgbaren Steuerstraftat ergibt.
Nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 Buchst. b) AO können die Informationen darüber hinaus zur Verfolgung besonders schwerwiegender nichtsteuerlicher Wirtschaftsstraftaten verwendet werden, zB schweren Insolvenztaten, Betrug in grossem Ausmass oder Verstösse gegen das Aktiengesetz. Beim Verdacht von illegaler Beschäftigung oder Schwarzarbeit, Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung sind die Finanzämter nach § 31a und § 31b AO gar zur Informationsweitergabe verpflichtet. Die per 2021 in Kraft getretene Ausweitung der Geldwäsche-Strafbarkeit wird zu einer erheblichen Aushöhlung des Steuergeheimnisses führen: Es ist nunmehr jede Straftat Vortat der Geldwäsche (all-crimes-Ansatz). Mithin sind die Finanzbehörden gehalten, den Anfangsverdacht jedweder Straftat an die Financial Intelligence Unit (FIU) – Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen beim Zoll (§ 28 GwG) zu melden.
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